Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 25. Juli 1942

Russland, am 25.7.42

Liebe Mutter!

Endlich! Gestern bekam ich Deinen Brief, den Du am 5. begonnen hast. Vielen Dank! Wenn Du mich aber noch einmal so lange warten läßt, sehe ich mich zu Gegenmassnahmen gezwungen. Die Päckchen, 31 Stück habe ich alle erhalten und dafür danke ich Dir also auch noch einmal.

An Neuigkeiten gibt es kaum etwas. Unser Btl.-Gefechtsstand hat einen Stellungswechsel gemacht und liegt nun mehr im Osten. Aber das interessiert mich wenig; denn ich bin ja bei der Kompanie und nach dem schönen Spruch: „Gehe nicht zu Deinem Ferscht, wenn Du nicht gerufen werscht“, komme ich auch höchstens einmal in der Woche dahin. Die Post bekomme ich durch einen Melder.

Der Russe ist noch immer ruhig. Ein nettes Ding passierte vorgestern: Deutsche und Russen schossen vereint auf ein Ziel und das Opfer war ein deutscher Zerstörer. Er flog seelenvergnügt die Rollbahn entlang. Auf einmal fängt unsere Flak an zu bebbern. Und auch die russische schiesst wie doll. Und der arme Zerstörer musste heruntergehen und seine Leuchtzeichen werfen.

Vor einigen Tagen kam ein Stukaverband aus dem Osten zurück. Einige Jäger sassen ihnen im Nacken. Die begleitenden Zerstörer wehrten sie ab. Die russische Flak schoss dazwischen. Auf einmal sehen wir, wie sich von einem der deutschen Zerstörer ein Stück Tragfläche selbständig macht. Wir erwarten, dass er jeden Moment herunterkommt. Aber obgleich die rechte Tragfläche zum Teil weg ist und der Motor auf dieser Seite auch aussetzte,

flog er vorsichtig, schaukelnd weiter.

Die “Rollbahnkrähe“ kam in den letzten Nächten wieder und warf Päckchen, deutsche Feldpostpäckchen ab. Der Inhalt bestand aus allerlei Resten: Zigarettenkippen, Wurstpellen u. s. w. und obendrauf lag ein Zettel: „Ich bin satt!“ Das ist ein dolles Stück! Zu den Flugpostmarken: Da Du sie letztes Mal bekommen hast, habe ich dieses Mal eine Vater und eine Günther geschickt. Wahrscheinlich gelingt es mir aber zwei mehr zu bekommen, die stehen Dir dann wieder zu. Das erste Mal gab es gestern die „Kilopäckchenmarke“. Du kannst mir also monatlich ein Päckchen von 2 Pfd. schicken. Die Zusammenstellung des Inhalts überlasse ich Dir; denn nach einem Jahr Russland weisst Du genau, was ich nötig habe. 4 Sachen wünsche ich mir

1. eine Tagebuchkladde mit steifem Deckel
2. einen weichen Zeichenbleistift
3. eine nette, leichte Pfeife.

Aber das brauchst Du nicht in dem Kilopäckchen zu schicken, das geht ja auch in kleinen! Und dann schick’ mir bitte in nächster Zeit wieder einen Skizzenblock!

Für heute soll das einmal wieder genügen!

Alles Gute und die herzlichsten Grüße sendet Dir, den Omas und Tante Uta
Gustav.