Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 21. September 1942

Russland, am 21.9.1942

Liebe Mutter!

Eben erhielt ich Deinen Luftfeldpostbrief vom 14.9. Vielen Dank! Die 4 kleinen Päckchen, die Illustrierten, Skizzenblocks und Schreibpapier habe ich erhalten. Vielen Dank auch dafür!

Bei mir ist alles noch beim alten! Ich schiebe eine ruhige Kugel als „Fräulein vom Amt“. Die Verpflegung ist tadellos. Ich muß Dir mal wieder aufzählen, was es heute gab: Für 2 Tage: 100 g Schweizerkäse, 100 g Sülze, Gelee, Schmalz, 12 R6, 1 Tafel Schokolade, 2 Rollen Drops, ½ Fl. Rotwein, ein Gläschen Cognac und zwei Hände voll Keks. Da bist Du platt, nicht?! Ich auch!! Da kann man nur sagen: Tadellos!! Das Wetter aber ist furchtbar, Sturm und Regen. Der Herbst ist da, wir sitzen im Bunker und freuen uns, dass wir nicht marschieren müssen. Hinter dem warmen Ofen ist auch dieses Wetter schön!

Am 22.9.1942

Gestern wurde meine Schreiberei leider unterbrochen, da durch das dolle Heizen einige Balken unseres Bunkers Feuer fingen und schleunigst mit dem Inhalt unserer Feldflaschen gelöscht werden

mussten. Heute bekam ich nun noch einen Brief vom 2.9. und ein Päckchen mit 20 R6. Vielen Dank! Dass Du aus dem Häuschen warst, als Du einmal wieder etwas von der Mitte hörtest, habe ich mir gedacht. Aber nun ist das ja wieder vorüber und „ostwärts Wjasma“ ist Ruhe, wenn auch nicht so ruhig, wie in unserer schönen, guten alten Rollbahnstellung. Jedenfalls die Tage im August, da muss ich Karl-Heinz Caspari zustimmen, waren die schwersten, die ich in Russland miterlebte. In diesen Kämpfen ist auch Karl-Dieter Frees gefallen.

Gestern haben wir wieder 2 Luftfeldpostmarken und eine Zulassungsmarke erhalten. Du schreibst in Deinem Brief, dass Du es lieber hast, wenn ich die Luftfeldpostbriefe schreibe, damit Du immer schnell Nachricht von mir bekommst. Das werde ich dann auch nun so machen. Wenn also der Zwischenraum zwischen den Briefen einmal etwas größer als gewöhnlich geworden ist, bekommst Du per Luftpost Nachricht.

Zur Zulassungsmarke: Schick’ mir diesesmal bitte, wenn es geht, Handschuhe, Strümpfe und einen Poullower. Wenn Günther da ist, kann er auch einmal ein gutes Buch für mich beilegen; denn, wenn wir lange Zeit hier liegen bleiben, es kalt ist, dann werden wir bestimmt entsetzliche Langeweile haben! Wo nun der Winter kommt, konzentrieren sich die Gedanken wieder viel zu oft auf den Urlaub! Zu Hause bei Dir! Man malt sich immer wieder aus, wie schön das wieder sein wird, wenn wir einmal wieder zusammen sind. Aber das wird

bestimmt noch 3-4 Monate dauern. Aber warten haben wir ja beim Kommiss zur Genüge gelernt und die lumpigen paar Monate gehen auch noch vorüber.

Dass die Tommys Euch jede Nacht belästigen ist eine Schweinerei. Hoffentlich können wir ihm bald einmal alles doppelt und dreifach zurückgeben und dafür sorgen, dass ihm die Lust zum fliegen für immer vergeht. Wenn einmal bei uns russische Flieger am Tage kommen, es kommt ja selten genug vor, dann ist bei uns Kirmes. Jeder packt seine Flinte, wir schiessen, die spucken, keiner trifft, aber es knallt, ist unterhaltsam und macht anscheinend beiden Teilen Spass!

Günther schrieb mir heute auch, dass er schon seine Zivilklamotten hat und auf seine Entlassung wartet. Der Glückliche!! Wenn ich das doch einmal sagen könnte! Nebenbei, mit Studienurlaub auch dieses Jahr wieder Scheibe! Vorbedingung grundsätzlich 3 Jahre Dienstzeit! Schade!

Das ist heute nun mein letztes Couvert. Ich habe nur noch die 5 guten mit den Briefkarten. Die wollte ich aber eigentlich nur zu Glückwünschen u. ähnlichem benutzen. Schick’ mir bitte darum doch wieder bald Couverts vor allem und auch etwas Briefpapier!

Oma von der Schützenstrasse danke ich herzlichst für die Zigaretten in den letzten Päckchen, Tante Uta für das Geburtstagspäckchen. Wenn ich wieder Briefpa-

pier habe, bekommen sie auch einen Brief.

Günther kannst Du bestellen er soll einmal Lesestoff für lange Winterabende im Bunker für seinen armen, alten Bruder aufstapeln. Spezialwünsche werde ich ihm noch selbst mitteilen!

So und das wäre nun für heute alles!

Die herzlichsten Grüße sendet Dir und Günther
Gustav