Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 5. Juli 1942

Russland, am 5.7.1942

Liebe Mutter!

Es wird höchste Zeit, dass ich einmal schreibe; aber wie gesagt, Zeit und Papier sind ziemlich knapp. Sonst kann ich aber auch nicht klagen. Noch alles in Butter! Als es vor einigen Tagen plötzlich hiess, Süd- und Mittelfront zum Angriff angetreten, da sahen wir uns nur fassungslos an; denn dass es einmal losgehn könnte, ohne dass unser Regiment in der dicksten – Entschuldigung! – im dicksten Dreck mitmache, schien uns einfach unglaublich! Aber es ist tatsächlich so. Hier ist die Lage noch ganz beim alten. Vielleicht ist der Russe etwas nervöser geworden und das Artilleriefeuer etwas stärker, aber vielleicht bilden wir uns das auch nur ein. Wir haben in den letzten Tagen noch mehrere neue Leitungen bauen müssen. Das musste in der Nacht gemacht werden, weil sonst der böse Feind mit Bömbchen nach uns wirft, wie Günther immer sagt. Am Tage haben wir noch am Bunker gearbeitet. Donnerstag Morgen war ich im Kino, jawohl, im Kino: 4 km hinter uns tagte ein Frontkino. Ich sah den „Scheinheiligen Florian“ und die Wochenschau mit den Berichten von Kertsch und Pearl Harbour.

Gestern mittag wurde ich zur 1 Kmp. als Fernsprecher wieder abgestellt, für 14 Tage. Eine ganz ruhige Tour! Das heisst, wenn ich nicht zuviel Störungen habe. Ich hatte leider

aber schon sofort Pech. Gleich eine Störung um 22.00. Bis 3.00 heute morgen habe ich mich ihr widmen müssen. 4 x zerrissen. Und dann such’ einmal die Enden im Dunkeln! Beim Abgehen der Leitung fand ich eine Anzapfstelle der Russen, wo diese einen Draht an unsere Leitung angeschlossen hatten und mithören konnten. Ich fand, dass das nun doch zu weit gehe, schnitt die Stelle heraus und habe sie als corpus delikti abgeliefert. Nebenbei gehe ich natürlich nicht alleine los. Diese Nacht hatte ich 4 Mann aus der Kmp. zur Begleitung mit, einen kleinen Geleitzug. Hoffentlich bleibt das nun auch meine einzige Störung! Luftpostmarken kommen im nächsten Brief, für die vergangene Junihälfte und die erste aus Juli.

Wahrscheinlich bleiben wir hier noch länger. Noch nichts deutet auf einschneidendere Veränderungen hin. Also auch noch kein Grund zur Besorgnis!

Und nun für heute Schluss! In den nächsten Tagen weiteres! Schreib’ mir bitte sofort, was mit Günther los ist!

Alles Gute und die herzlichsten Grüsse Dir und Günther!

Heil und Sieg!
Gustav.