Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 11. Mai 1941

O. U., den 11. Mai 1941

Liebe Mutter!

Zuerst gratuliere ich Dir heute am 11. Mai zu Eurem 22. Hochzeitstag!! Hoffentlich können wir diesen Tag noch mindestens 50 Mal zusammen feiern!! Darauf werde ich heute mal einen trinken! Lust einmal mir zu schreiben habt ihr wohl nicht mehr! Die ganze Stube hat schon Post, nur ich habe noch nichts. 16 Tage heute ohne Post. Das müsste Euch mal so gehen!

Dann wirst Du wohl gerne etwas von dem Leben in polnischer Einsamkeit hören wollen. Seit Mitte voriger Woche haben wir wieder regelmässigen Dienst, d. h. morgens 4 Std. Geländedienst, nachmittags 1 ½ Exerzieren, Unterricht und Waffenreinigen. Aber man kann’s aushalten. Nur kalt ist’s hier. Noch nichts grün. Schnee gibt’s auch noch. Zwei Poulover habe ich an und trotzdem friere ich noch. Das ich seit 16 Tagen keinmal aus der Uniform gekommen bin, erübrigt sich zu sagen. Um nun so mal einen Einblick in mein Leben zu bekommen, ein Tageslauf: Morgens 6.00 trampelt der U.v.D. in die Stube, pfeift, langsam krabbelt sich alles hoch. 3 Minuten von hier ist Wasser, wir waschen uns. Anzuziehen haben wir ja nichts. Und so trinken wir dann Kaffee. Dann der ganze Dienst, bis 6.00. Was tut man? Wir ziehen uns ordentlich an, putzen die

Knobelbecher, und dann nichts wie raus. Wirtschaften gibt es nicht. Nur so eine Art Kantine. Bier gibt es einmal die Woche. Eine trübe, warme Brühe. Aber Wodka! Zu Abendessen kann man auch. Weil es so voll da ist, gehn wir fast immer in eines der beiden Kaffees. Bohnenkaffee, Schlagsahne und Kuchen. Die Stichworte genügen!

Das Leben ist alles in allem, auch bei uns, primitiv. Die Preise sind unverschämt hoch. An Löhnung bekommen wir 30 Sloty = 15 Rm. Ziemlich knapp für Polen. Und so bitte ich Dich, mir doch mal wieder etwas Monny zu schicken. Ausserdem könnte ich noch gebrauchen: Eine Badehose!!!!!!! So’n kleines Fresspaket mit Butter etc. pp. wird dankend in Empfang genommen. Denn unsere Portionen sind verdammt klein, während das Mittagessen tadellos ist.

So, nun bis zum nächsten Brief. Hoffentlich kommt von Euch auch mal was an!

Alles Gute und herzliche Grüße an Euch alle!

Heil und Sieg!

Gustav

Adresse: Soldat Gustav Roos

09977 B.