Gustav Roos an Vater Toni, 16. September 1940

Hannover, den 16. Sept. 1940

Lieber Vater!

Seit dem 12. bin ich nun schon wieder in Hannover. Länger in Brühl bleiben konnte ich nicht, da die Einschreibefrist nur bis zum 15. lief. Erst heute kam heraus, dass für alle, die irgendetwas mit dem Militär zu tun haben, alles bis zum 30. verlängert wird. Das W.B.K. zieht augenblicklich alle vom Jahrgang 20 und älter ein. 21, 22, u. s. w. werden dringend gebeten sich freiwillig zu melden. Ich habe mich, weil ich den Verlauf der Dinge erst mal abwarten wollte, noch nicht eingeschrieben, werde es aber bis zum 30. erledigen, da ich wahrscheinlich mindestens bis Weihnachten in Ruhe gelassen werde.

Samstag habe ich meine neue Wohnung bezogen. Ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche mit allem dran, alles zusammen ohne Licht und Brand 23,-. Diese Bude habe ich über die Kameradschaft bekommen. Die Wirtin ist ganz in Ordnung. Eine 17 jährige „filia hospitalis“ habe ich, wenn auch nur sehr ungern, mit in Kauf nehmen müssen. Das Haus, worin ich jetzt wohne, liegt mitten in einem grossen Garten, der sofort an das Architekturgebäude angrenzt, so dass ich bis dorthin nur 2-3 Min. zu laufen habe, nicht mehr wie im letzten Trimester über eine halbe Stunde. Also mit meiner Wohnung bin ich zufrieden.

Dann das Studium. Wie Dir Mutter vielleicht schon mitgeteilt hat, hatte ich vor, das erste Semester und einen Teil des dritten Trimesters zu belegen. Hierzu habe ich heute morgen die Genehmigung meines Dekans bekommen. Ich habe also testieren lassen:

1. Semester. / Std.

Baukonstruktion A / 5
Baugestaltungsl. / 3
Statik A. / 4
Aufnehmen v. Bauteilen / 3
Stillehre I. / 2
Techn. Zeichnen / 2
Kunstgeschichte / 4
Aktzeichnen I.

Im 3. Semester
Baukonstruktion C / 4
Stillehre II. / 2
Plastik u. Modellieren I. / 4
Aktzeichnen / 4

Vom 3. Semester brauche ich also später nur noch „Entwerfen“ und ab ist der Bart.

Genug zu tun, werde ich also bis Weihnachten haben.

Sonst ist noch alles in Ordnung. Meine neue Adresse ist

G. Roos

Hannover, An der Düne 11 c bei Ahlborn.

Diese Brief ist nur kurz, da ich z. Zt. furchtbar viel Laufereien habe. Bald kommt aber ein ausführlicher!

Die besten Grüße und alles Gute