Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 19. Mai 1941

O. U., den 19.5.1941

Liebe Mutter!

Innerhalb von 3 Wochen habe ich erst einmal von Euch Nachricht erhalten, und zwar kamen alle 3 Briefe auf einmal an. Von Vater habe ich schon seit 4 Wochen nichts mehr gehört. Wie das kommt ist mir unklar. Auch von den 5 Päckchen habe ich noch keine Spur gesehen. Wahrscheinlich geht es von hier in dieser Woche noch weg, weiter in den Osten. Und dann werden wir wohl auch erfahren, was man mit uns vorhat. Hier gehen die tollsten Gerüchte um. Wenn die Hälfte davon stimmt, ist es immer noch interessant. Alles deutet auf einen langen Tripp hin!

In diesem Brief die ersten Fotographien aus Polen: Heute vor 8 Tagen war der erste schöne Tag. Zu 7 Mann unsere Stube hatten wir den Auftrag ein poln. Oberförstereigebäude in ein Offiziersheim umzuwandeln. Da wir ohne Aufsicht waren, haben wir uns totgearbeitet. An diesem Tag wurden die Aufnahmen I.-VII. wurden an diesem Tage gemacht. Finden wirst Du mich wohl überall. Auf Bild II. legen wir gerade einmal wieder einen zünftigen Swing aufs Tapet.

Bild VIII.-X. zeigt unser Lager, während der Arbeiten, die es zu einer menschlichen Behausung machten. Bild XI. zeigt einmal wieder poln. Strassenverhältnisse. Sieh’ Dir mal den Matsch an!

Nun einige Bilder aus Bergen. Bild XII.: Die 9 Mann von der I.IV.E.K.31 vor der Abfahrt auf dem Braunschweig auf dem Bahnhof. Bild XIII. auf einer unsrer dollen Märsche. Bild VIV.-XIII. I.IV.E.K.-Kameraden in Bergen, unser Zug beim Marsch, und Bild XVI. zeigt Hauptmann Neumann, bei der praktischen Vorführung des Themas „Wie mische ich mich unters Volk?!“ Weitere Bilder folgen in Kürze! An Vater gehn die gleichen Bilder ab!! Ein paar alte Aufnahmen liegen noch bei, um mein Fotoalbum etwas zu leeren. Gestern habe ich den schönsten Sonntag beim Kommiss erlebt. Nach einem guten Mittagessen aalten wir uns vor unserer Baracke in der Sonne. Auf einmal ein Keifen: „Stube I. (das sind wir) raustreten zum Kartoffelschälen!!“ Nach einer Schrecksekunde, in der wir uns gegenseitig ganz unsagbar blöde in die Augen stierten, fassten wir uns. Eine Staubwolke, fern am Horizont sah man zwei Dutzend glühender Hufeisen, Stube eins war im Walde verschwunden. Ein kurzer Spaziergang durch den Wald.

Dann stiessen wir auf einen kleinen See. Ausgezogen und so, wie wir waren, rin ins Vergnügen. Kalt war es. Die Bäume sind ja auch noch kahl hier, wie Du auf den Fotografien, die ich von dem Sonntag bekomme sehen wirst. Ein Floss bauten wir, liessen uns von der Sonne den Bauch kitzeln, Spaziergänge durch den wunderbaren Tannenwald. Laubwald habe ich noch nicht hier gesehen. Um 8.00 kehrten wir ins Lager zurück. Der Nachmittag war wunderbar: Einmal aus dem Anzug raus, einmal ganz im Wasser, das kannst Du gar nicht schätzen.

Gerade bekam ich den verloren geglaubten Brief vom 22.4. fast 4 Wochen unterwegs. Wie es gerade verlautet, geht’s übermorgen weiter! Wer weiss wohin??

Morgen ist noch einmal ein ganz, ganz ruhiger Dienst und dann ab!

Vorher schreibe ich aber noch einmal!!

Bis dann also!

Alles Gute und herzlichste Grüsse!

Heil und Sieg!

Noch ein kurzes P.S. Die Fotos kosten natürlich Geld. Das Stück 25 Pf. = 50 Sloty! Rechne den Preis bitte aus. Seit 4 Tagen bin ich vollständig blank. Und der 21. ist erst übermorgen! Ein übler Zustand: Ausserdem wer weiss, wohin es in nächster Zeit gehen wird, und wo man das Geld gebrauchen kann. Und so wäre es mir sehr lieb, wenn Du mir noch einmal einen Betrag zukommen liessest, etwa 30-35 Rm. G.