Günther Roos an Mutter Elisabeth, 25. Januar 1944

Rollshausen, 25.01.1944

Liebe Mutter!

Endlich bin ich nun in Deutschland gelandet. Es war eine tolle Fahrt. Am 22. wurden wir abends um 7 Uhr verladen. Die Abfahrt habe ich verschlafen. Am 23. schlugen wir uns in Polen herum. Auf jedem kleinen Bahnhof konnten wir warten, bis die Strecke wieder frei war. Na, von Rußland her ist man ja bei Transporten allerlei Kummer gewöhnt. Nachts um 11.15 überfuhren wir bei Lissa die Grenze des Altreiches. Nun ging es etwas schneller weiter. Die Fahrt wurde langsam interessant. Man sah, nach einer Unterbrechung von einem halben Jahr mal endlich wieder Kultur. Schöne Steinhäuser, gepflegte Felder, gute Straßen. Das alles war wieder etwas Neues und man wußte gleich: Jetzt sind wir wieder in der Heimat. So ging die Fahrt weiter nach Westen. Kurz vor Leipzig war Fliegeralarm. Der Empfang war also schon richtig. Nun begann das Raten: Wo geht es hin? Bald tauchte abermals eine Stadt auf. Es war Halle. Hier wurde das Reiseziel bekannt gegeben. Es geht zum Harz. In Nordhausen wurden die ersten Verwundeten ausgeladen. Ich landete in Rollshausen. Das Nest liegt etwa in der Mitte zwischen Kassel und Hannover. Zu jeder Stadt sind es etwa 100 km. Bis Göttingen sind es etwa 30 km. Es ist ein kleines Hilfslazarett in einer Ziegelei. Das Nest selbst ist ein Dorf von ungefähr 300 Einwohnern.

Mir persönlich geht es ganz gut. Der Furunkel unter dem Arm ist soweit abgeheilt. Jedoch bekomme ich am rechten Bein ein neues Ding. Der Fuß ist soweit auch in Ordnung, jedoch klappt das Laufen noch nicht so wie es soll. Einmal abwarten, was der Arzt sagt. Vielleicht muß geschnitten werden, da der Onkel Doktor in Zyradow der Meinung war, daß die Wunde zwar geschlossen ist, sich aber innen noch ein Eiterherd befindet. Also eine „ganz komplizierte Sache.“

Hier im Heimatlazarett wäre nun eine Möglichkeit zu einem Besuch gegeben. Nun aber eine Bitte: Setze Dich nicht gleich auf die Bahn. Ich bin erst 2 Stunden hier, und muß mich zuerst einmal wegen der Unterkunft erkundigen. Sobald diese Frage gelöst ist, werde ich Dich auf dem schnellsten Wege benachrichtigen. Es hat ja keinen Zweck ins Blaue zu fahren, denn ich kann Dir ja schlecht zumuten, im Straßengraben zu schlafen.

Dann noch eine Bitte: Die letzte Post, die ich erhalten habe, ist von Ende November datiert, d.h. daß ich nun schon zwei Monate ohne jegliche Nachricht sitze. Schreibe mir also bitte einmal ausführlich, was in der Zwischenzeit sich ereignet hat, wie es geht, was Vater macht und was es an "Sensationen" in Brühl sich ereignet hat. Schicke es doch bitte als Eilbrief. Alles Gute und viele Grüße an Oma

Heil und Sieg!
Günther