Günther Roos an Vater Toni, 8. März 1945

Im Westen, 8.III.45

Lieber Vater!

Heute erhielt ich Deinen Brief mit biblischem Alter. Sie stammten aus dem Dezember. Ebenfalls kam ein Weihnachtspäckchen von Mutter an. Doch nun zu den Ereignissen der letzten Tage. Sie werden Dich ja brennend interessieren.

Dienstag und Mittwoch, also am 27. und 28.II. war ich in Brühl. Hier sieht es reizend aus. In den Lyzeumsgarten waren zwei Bomben gefallen. Bei uns alles leicht lädiert. Habe in der Küche und im Schlafzimmer noch neue Fensterscheiben eingesetzt, so daß man zur Not dort wohnen kann. Am Mittwoch fuhren wir in neuen Einsatz in den Raum von—Köln. Ein komisches Gefühl, in seiner nächsten Heimat Krieg führen zu müssen. Jedes Dorf kennt man, es liegen schöne Erinn-

nerungen, und nun ist dort Krieg. Zum Kotzen. Mein Wunsch ist aber in Erfüllung gegangen, ich durfte meine nächste Heimat verteidigen. Gestern standen wir am Rhein in Riehl an der Uferstraße zwischen Mülheimer- und Hohenzollernbrücke. Die letzte Verbindung mit rechtsrheinisch, die H-Brücke flog um 12 Uhr in die Luft. Wir blieben. Einen Tag und eine Nacht hielten wir noch unsere Stellung. Heute morgen um 5 Uhr war der letzte Schuß Munition verfeuert. Mit Booten Floßsäcken und Behelfsflößen setzten wir, nach Sprengung der Werfer über. Mit Recht und reinem Gewissen kann ich behaupten, einer der Letzten gewesen zu sein, die das linke Rheinufer verließen. Nun liege ich beim Troß und ruhe mich einmal aus und warte auf neue Werfer.

Soweit von mir. Nun zu Mutter. Ist sie eigentlich bei Dir eingetroffen?

Ich hatte ihr den Befehl gegeben zu flüchten. Allerdings befürchte ich, daß ihr das nicht mehr gelungen ist. Schon am übernächsten Tag fiel im Frontbericht der Name Brühl. Mir war es auch nicht mehr möglich, nach dort zu fahren. Hast Du nun irgendein Lebenszeichen von Mutter aus späterer Zeit als ich? Und was? Schreiben mir doch sofort!

Mir gehts nach wie vor blendend. Sorgen habe ich ja jetzt keine mehr. Der Großteil der Privatklamotten auf dem Fahrzeug verbrannt, die Wohnung ausgebombt, am Heimatort der Feind. Und trotzdem: Jetzt erst recht! Es muß noch klappen! Alles, alles Gute und viele Grüße.

Heil Hitler!
Günther