Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 30. April 1941

O. U., den 30.4.1941

Liebe Mutter!

Gerade auf Telephonwache finde ich etwas Zeit zu schreiben. Irgendwo im Osten sind wir nach 50 stündiger Fahrt angekommen. Es war gestern Abend 6.00. Gerade haben wir wieder neuen Abmarschbefehl bekommen. In kurzer Zeit werde ich von hier zur Kompanie zurückgerufen. Solange will ich noch schreiben. Ja, Donnerstag kam ich vom Lazarett. Am andern Morgen beim Exerzieren gings dann rund: „Wir kommen weg!!“

Nachmittags ging’ auch wirklich los mit Packen und Stubenreinigen. 10.00 lagen wir in den Betten, wieder raus! Bis 12.00 Revierreinigen. 3.30 wieder raus! Gewartet bis 8.00. 8.00 wurde die Stube übergeben.

Dann haben wir draussen in der Kälte mit unserem Gepäck gestanden. Dank einer fabelhaften Organisation klappte die Heranschaffung der Transportwagen nicht. 10.00 – 12.00 – 2.00 – 6.00! Noch immer nichts! Wieder wir in den Laden. Eine Nacht im Anzug startbereit auf den Pritschen verbracht.

6.00 wieder raus! Draussen warten bis um 12.00 dann endlich der 2 km lange Marsch zur Verladerampe losging. Wir wurden verladen

und um 4.00 gings los. Quer durch Deutschland.

Zu 40 Mann in einem Viehwagen mit Gepäck!! Erschütternd schön! Kalt!!

Davon später einmal mehr!

Hier kamen wir dann an!

Tolle Zustände. Westpreussen war dagegen hoch kultiviert. Du machst Dir keinen Begriff. Keine Strassen! Wenns hoch kommt mal Knüppeldämme. Matsch! Matsch!

Wir bezogen Baracken. Ganz neu! Aber nichts drin. Kein Stroh, Bänke, keine Tische. Nichts. Die 4. Nacht ohne aus den Klamotten rausgekommen zu sein.

Heute morgen 8.00 wurde ich mit noch einem Funker zur Telephonwache bestellt. Bis 12.00 hat er hier gesessen. Grade komme ich an, kommt auch schon der Marschbefehl. Wahrscheinlich noch weiter nach Osten.

Wenn das, was hier inoffiziell rund geht, wahr wird, dann haben wir das Vergnügen die grösste Komödie, vielleicht auch Tragödie, nenn’ es wie Du willst, auf jeden Fall die grösste Aufgabe des Krieges mit lösen zu helfen. –

Mit dem Marschbefehl ist’s wieder Scheisse. Gerade kam der Widerruf. Na, nun wieder zum Thema!

Jetzt sitzen wir also in der Einöde! Heute haben wir nun Stroh in unsere Baracken bekommen. Mehr aber auch nicht.

Beschäftigen tun die anderen sich in der Hauptsache mit Verschönerungsarbeiten in der Umgebung der Baracken. Im übrigen geht es mir gut. Ich habe schon ganz nett Farbe im Gesicht.

Und dünner bin ich bestimmt nicht geworden!

Das Essen ist bisher auch gut. Nur die Zigaretten und Zündhölzer, das ist das Problem.

Die Gegend ist waldreich. Ebene unterbrochen von kleinen Bergen. ½ der Bevölkerung hier besteht aus Juden, die sich fleissig am Strassenbau betätigen. Ein Bild für die Götter! Die Polen sind verdammt elend dran. Das Leben hier ist furchtbar teuer. Ein Brot kostet 18 Sloty = 9 RM. Ein Arbeiter verdient täglich 6-7 Sloty = 3-4 RM. Nun stell’ Dir vor, wie man hier lebt!! Für ein Brot kannst Du haben, was Du willst.

Deinen Brief vom 22.4. habe ich am Tag unserer Abfahrt erhalten. Was da von Bürgermeister Freericks geschrieben hast, interessiert mich sehr. Aus welchem Grunde ist er weggekommen? Schreib’ mir bitte mal, da ich den Brief davor von Dir noch nicht erhalten habe!

Die Sache mit Jünni ist erschütternd! Aber das bekommt er noch besonders von mir zu hören.

So und nun mach’ Dir keine Sorgen und tüt’ nicht soviel, das hat gar keinen Zweck. Dadurch komme ich nicht weg.

Und wenn ich mal, wie jetzt ein paar Tage nicht zum Schreiben komme, dann brauchst Du auch nicht gleich um Dich selbst zu laufen. Immer mit der Ruhe! Mir ist schon alles scheissegal. Stur wie ein Panzerwagen bin ich geworden.

So und nun alles Gute

und viele Grüsse an

Dich, Günther, die Omas, Onkel Jupp u. T. Lina!

Heil und Sieg!

Post und Päckchen nehme ich unter F.P.N. 09977 B an.

Solange und soweit es möglich ist, kommt jetzt wieder regelmässig Post von mir.