Günther Roos an Vater Toni, 15. November 1943

15.11.43 [Poststempel 19.11. - Erhalten 30.11.43]

Lieber Vater!

Heute liegen wir etwa 3 km hinter der Front in Ruhe. Wir haben es auch verdient, denn was hinter uns liegt, war kein Pappenstiel.

Wir lebten ruhig und zufrieden in unserer Stellung, bauten an unseren Bunkern und schickten ab und zu dem Iwan eine Salve hinüber. Schon seit dem 7.11., dem Tag der Roten Armee, erwarteten wir täglich einen Angriff. Immer mehr zog der Russe zusammen. Da brachten Überläufer die Nachricht, daß der Angriff am 14. um 4 Uhr starten sollte. Um 2 Uhr begannen wir zu orgeln, was das Zeug hielt, um Iwan noch in der Bereitstellung zu zerschlagen. Um 3 Uhr machten wir Schluß und warteten auf den Angriff. Als um 5 Uhr noch alles ruhig war, legten wir uns mit der Gewissheit, dem Russen die Lust verdorben zu haben, schlafen. Wie wurden wir enttäuscht! Um 5.45 wurden wir unsanft geweckt. Die Hölle war los! Die ganze Wut, die er in Wochen angesammelt hatte, ließ er an uns aus. Ari und Stalinorgel hämmerten 4 1/2 Stunden auf unsere Stellung. Ein Trommelfeuer, wie ich es-; nie für möglich gehalten hätte. Die Erde bebte und die Luft dröhnte von den Einschlägen. Ein Glück, daß wir stabile Bunker hatten. Mitten im Trommeln gingen wir raus und zündeten eine Salve. Die da drüben sollten sehen, daß wir noch lebten und keine Furcht hatten. Na, dann saßen wir wieder im Loch und warteten, bis plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein atemloser Infanterist rief: „Raus, die Russen kommen!“. Ich schnappe meine MP. und Zigaretten und raus zum Chef.

Wie erwartet hielten wir die Stellung. Da kamen die ersten Russen. Sie wurden niedergehalten. Unsere Nachbarbatterie links riß jedoch aus. Während wir nach vorne sicherten, kam der Iwan von links und stand plötzlich in der Feuerstellung. Die Beine unter den Arm und weg. Nach 100 Metern sammelten wir uns, und mit viel Geknalle und Hurra machten wir einen Gegenangriff, und jagten den bösen Feind aus unserer Stellung wieder heraus, und dann machten wir ihn zur Sau. Mit Pak und unseren Werfern schossen wir im direkten Beschuss, bis keine Munition mehr da war. Russen waren nicht mehr da. Also nach und Infanterie gespielt. Immer vorwärts. Nach all den Rückzügen einmal eine Erholung. Etwa 1 1/2 km stürmten wir vor, bis nahe an die ersten Stellungen. Dann gings umgekehrt. Wir liefen und Iwan kam. Dann faßte ich nochmal meinen Zug zusammen und stürmte ein Dorf, das in der alten Stellung lag. Da kam der Befehl vom Chef, im Troßbereich zu sammeln. In der Dämmerung lösten wir uns und gingen zurück. Hundemüde, dreckig wie die Schweine und durchgefroren kamen wir tief in der Nacht dort an. Aber als Sieger, und das war die Hauptsache. Es war ein heißer aber dennoch schöner Tag, den ich nie vergessen werde. Meine Klamotten habe ich Gott sei Dank zum größten Teil wieder, allerdings fehlt noch etwas. Hauptsache ist, daß ich heile Knochen habe.

Nun will ich aber mal schließen. Alles Gute und

Heil und Sieg!
Günther

16. 11. 43

Liegen noch immer in der Aristellung. Erhielt heute Deinen Brief vom 5.11. Zu Ohm Jupp sage ich nur: „Altes Herz wird wieder jung“ oder Film und Wirklichkeit. Zum Totlachen.

Was aus uns wird weiß ich noch nicht. Da wir nur bedingt einsatzfähig sind, werden wir vielleicht herausgezogen. Es ist ja klar, wo gehobelt wird, da gibt es Späne und wo geschossen wird Ausfälle. Sonst geht es mir noch tadellos. Alles Gute
G.