Elisabeth Roos an Sohn Gustav, 18. Oktober 1942

[mit Vermerk „Empfänger vermißt“ zurück]

Brühl, den 18.10.42

Mein lieber Gustav!

Daß du diesmal etwas länger auf einen Brief von mir hast warten müßen mußt du entschuldigen, denn ich habe Günther am Mittwoch nach Köln gebracht, und das war mir derart auf die Stimmung geschlagen daß ich nicht schreiben konnte. Es ist mir diesmal furchtbar schwer gefallen daß ich Günther weggeben mußte, viel schwerer als beim Arbeitsdienst, denn nun weiß ich daß er auch jahrelang Soldat sein muß, und daß ich jetzt immer allein bin und nun auch Sorge um zwei haben muß. Auch die Truppe wo Günther bei gekommen ist macht mir Sorge, weil ich nicht weiß was es ist. Vielleicht kannst du mir etwas näheres darüber schreiben, denn du weißt doch sicher was es ist, Nebeltruppe. Und ausgerechnet nach Bremen mußte er kommen, wo auch immer so schwere Angriffe sind. Habe gestern die erste Post von ihm bekommen daß er gut angekommen ist und seine Adresse. Vater wollte um den halben Oktober herum auch zum Wochenende nach Hause kommen, wir haben ihm nun sofort geschrieben als Günther seinen Gestellungsbefehl bekam er sollte etwas früher kommen, aber leider ist er bis heute noch nicht gekommen, ich erwarte ihn aber täglich, denn abgeschrieben hat er noch nicht, und so kann ich ja noch hoffen. Vater ist ja jetzt auch 8 Monate nicht mehr zu Hause gewesen. Und dann darf ich auch bald auf dich hoffen, also ab Dezember erwarte ich dich, hoffentlich kannst du über Weihnachten zu Hause sein, aber damit will ich nicht bestimmt rechnen, da Weihnachten ja meistens die Verheirateten fahren. Augenblicklich ist Peter Wieland nach 20 Monaten hier in Urlaub, er kommt von der Walchow Front. Hugo Tolius hat augenblicklich einen Genesungsurlaub, und denk dir

er hat sich schon verlobt, aber wie ich von Frau Schwerfel hörte ist es den Eltern nicht recht, was will er auch mit einer Braut, er ist ja noch nichts. Nun eine Frage an dich, wie geht es dir, und wie ist es mit deiner Verwundung? Schade daß du damit nicht in die Heimat kommst. Wie ich aus deinen Briefen ersehe bist du ja noch immer beim Btl. Stab als Frl. vom Amt, ist das wegen deiner Verwundung oder bleibst du jetzt da, mir wäre es recht. Mit dem Studium gibt es in diesem Jahr leider noch nichts, dafür mußt du 3 Jahre Soldat sein, und dann ist es noch fraglich. Dein letzter Brief war vom 6.10. da ging es dir soweit ja noch gut, ich hoffe daß es dir auch heute noch gut geht, und daß ich in den nächsten Tagen wieder Post von dir bekomme. Briefpapier habe ich dir genügend geschickt, und hast du es hoffentlich auch schon erhalten. Heute geht Paket Nr. 5 an dich ab, es enthält, 2 Bücher, 1 Pulover und Cigaretten. Wenn ich Wolle bekomme strickt Oma dir auch noch ein paar Handschuhe, ein paar Fäustlinge sind unterwegs. Strümpfe stricke ich auch noch wenn ich Wolle bekommen. 2 paar habe ich dir jetzt geschickt. Wenn du sonst noch etwas nötig hast, so schreibe. Ich hoffe doch daß ihr gute Winterbekleidung bekommt, ich glaube ja auch nicht daß es in diesem Jahre kommt wie im vorigen. Augenblicklich haben wir hier sehr schlechtes Wetter, und wird es bei euch wohl noch schlimmer sein, jetzt kommt ja wieder die Schlammzeit. Vorige Woche hat der Tommy uns mal wieder besucht, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, es war die schlimmste Nacht die wir bisher erlebt haben. Ein Glück daß die Bomben nicht alle auf Brühl gefallen sind, sondern um Brühl herum. Tausende von Brandbomben haben sie geworfen, 30 Sprengbomben, und 3 Luftmienen. In der Nacht hat ganz Brühl im Keller gesessen, und jeder hat gedacht ob du hier nochmal

lebend herauskommst. Aber es hat im Verhältnis gut gegangen, weil die Bomben meistens auf freies Feld gelandet sind, nur die halbe Appelwies ist abgebrannt, und dann haben die Werke mitbekommen, besonders Gruhlwerk und Grube Brühl, sehr viele Fensterscheiben sind in Brühl kapput gegangen, bei uns im Unterhaus auch 4 Scheiben. Ich weiß nicht ob ich dir schon geschrieben hatte daß Welters ausgezogen sind, an dem Tage wo Günther weg mußte sind Welters zum Schlachthof gezogen. Schmitz wohnen jetzt auf 2 Zimmer, und in die beiden andern Zimmer kommen Fliegerbeschädigte an Köln, 2 ältere Damen. Heute kann man keine Wohnung mehr so vermieten, nur an Fliegerbeschädigte. Aber wenn 2 ältere Damen die Zimmer bekommen wird es ja ruhig im Hause sein. Nun will ich für heute mal

wieder schließen, und das Paket noch zur Post bringen. Paket Nr. 6 folgt bald.

Ich wünsche dir auch weiter alles Gute und die herzlichsten Grüße und Küsse
deine Mutter.

Lege dir eine Karte von Günther bei, kannst dir seine Adresse entziffern.