Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 20. Mai 1940

20.5.40

Liebes Lieschen habe Sonntag Dienst gemacht und komme nun dazu dir mal zu schreiben was hier los ist. Fliegerbesuch haben wir hier in Trier sonderbarerweise noch nicht gehabt, kaum verständlich und hoffentlich bleibt es so. Was hier in den letzten acht Tagen an Truppen durchzieht auf den Straßen rechts u. links der Mosel ist kaum zu beschreiben. Tag u. Nacht Kolonne hinter Kolonne. Artillerie motorisiert u. mit Pferden Pioniere Kavallerie und 100000-de Infanteristen. Eine Stimmung haben die Leute kaum auszudenken, zumal wo es sich fast nur um ältere Jahrgänge handelt. Aktive Regimenter sieht man kaum. Die Bahnhöfe weisen ein Leben auf wie in einer Großstadt bei großen Menschenansammlungen oder großen Festlichkeiten. Auf den Güterbahnhöfen rollt Kriegsmaterial an in endlosen Zügen wenn in West gleichzeitig 4 Züge entladen werden und die Leerzüge rollen zurück, fahren im gleichen Augenblick die neuen Züge schon ein, so geht das Tag u. Nacht. Hunderte Flugzeuge Stukas u. Jäger steigen hier stündlich voll beladen mit Bomben auf um in einer Stunde ihrer totbringenden Last entledigt zu landen und im Zeitraum von ¼ - ½ Stunde erneut zur Front abzufliegen. Beutezüge voll mit Eisen u. Erz beladen rollen nebenher von Luxemburg u. Belgien ab nach Deutschland. Gefangenenzüge in steter Folge zwischendurch werden hier entladen weiße u. farbige Franzosen u. Belgier und zwischendurch auch mal einige hundert Engländer. Man hatte die ersten Engländer u. Franzosen mit den hier liegenden polnischen Kriegsgefangenen in einem Lager untergebracht, mußte aber die Polen wegnehmen, da die Polen tätlich gegen ihre ehemaligen Verbündeten vorgingen.

Hochdramatisch war der Einmarsch in Luxemburg. Die luxemburgische Armee hatte das Brückentor über die Sauer in Rahlingen geschlossen und den Brückenkopf besetzt. Es handelte sich um die Westarmee bestehend aus 23 Mann. Sie wurde aufgefordert das Eisentor zu öffnen, worauf die ganze Armee französisch „non“ schrie, und ein tolles Feuer eröffnete wobei es Tote u. Verwundete gab. Um die Sache kurz zumachen führte ein Zöllner auf einem Schlauchboot 10 Mann über die Sauer und plötzlich war die luxemburg. Westarmee umzingelt und ergab sich. Der Zöllner hat das EK II bekommen. In Luxemburg selbst muß es hochdramatisch zugegangen sein. Die Großherzogin mit ihrem Parmalümmel ist noch soeben durchgeflutscht, doch hat man die Kinder Israels zum größten Teil unsanft aus dem Schlafe geweckt. Gott der Gerechte können die Preußen organisieren, das ganze Gesocks ist schon in Arbeitsbataillonen zusammengestellt. Nun ist ein Teil der technischen Abtlg. auch schon von hier nach Belgien abgehauen und können jeden Tag echten Bohnenkaffe trinken, daß heißt solange Vorrat reicht. Lebensmittelkarten sind im besetzten Gebiet auch schon eingeführt und Heil Hitler können die luxemburger „Moselfranken“ auch schon sagen. Bekannte aus Brühl oder Köln habe ich bei all den Soldaten noch nicht gesehen. Was gibt es in Brühl eigentlich Neues sind in Brühl noch keine Verluste an Gefallenen bekannt geworden? Was machen Köbes Gustav Josef u. Willy Klug? Hast Du noch etwas von Strüder gehört. Bei Merzig an der Saar (Magiotlinie) wird heftig gekämpft.

Habt ihr noch keine Flieger in Brühl gehabt? Was macht Günther mit der Krankenkasse kommt nicht mehr in Frage, habe zwar nochmal einen schriftlichen Antrag gestellt aber noch keine Antwort erhalten. Hat Gustav

nochmal geschrieben? Habe ihm von hier aus auch geschrieben wie es hier zugeht. Habe ¾ Pfd. Butter über, wovon ich Euch ½ u. Gustav ¼ zusenden werde. Hast Du auch mal nach meinem Anzug gesehen und wie ist es mit Gustav seinen Klamotten? Hast Du von Gustav noch Post bekommen? Wenn ja sendet mir zu. Die Immatrikulationsurkunde habe ich endlich von dem Knaben bekommen. Ich esse nun bei Sebu ich sage dir nur das eine ich kann mich ärgern, daß ich dies nicht schon im April gemacht habe, ich kann Gemüse u. Kartoffel soviel haben wie ich will und jeden Tag Dessert und dabei kräftig gekocht. Habt ihr auch Gasmasken wir haben hier welche bekommen die Tschechendinger mit dem langen Schlauch, wir sehen darin aus wie die Grasaffen. Eben werden an unserer Dienststell vom Güterbahnhof West wieder Gefangene abgeführt ein unentlicher Zug auch 2 französische Generale waren dabei, die brauchten zwar nicht zu gehen, die Murmelgreise wurden gefahren. Im allgemeinen machen die Gefangenen einen sehr niedergeschlagenen Eindruck. Entweder haben die Leute so schweres durchgemacht oder man wird ihnen erzählt haben sie würden hier aufgefressen. Einer unserer Herren war in Sedan und erzählte, daß es dort am ersten Tage wie es im Westen losging am 9. Sept. dort ein großes Blutbad gegeben hätte. Auf dem Marktplatz war ein Teil der Garnison zum Appell angetreten wobei ein General eine zündende Ansprache gehalten habe als plötzlich deutsche Bomber kamen und den Platz mit Bomben belegten, es sollen nur wenige mit dem Leben davongekommen sein. Unsere Firmen sind auch schon zum Teil nach dieser Kante dirigiert die Arbeiter setzen sich aus belgischen u. luxemburg. Arbeitern zusammen, welche von den dort bereits tätigen deutschen Arbeitsämter abkommandiert sind, also auch hier schon wieder Organisation. Man meint hier der Krieg sei in längstens 2 Monaten zu Ende, ist auch die Meinung welche man von maßgebender Stelle angibt, und dann kommt die Abrechnung mit England. Sollte Italien eingreifen und dies kann jeden Tag erfolgen ist Frankreich in 4 Wochen erledigt. Na hoffen wir das Beste. Also grüße an Euch alle u.
Heil Hitler
Tony.

Zum Muttertag herzlichen Glückwunsch auch bitte meiner Mutter für mich aussprechen.