Toni Roos an Sohn Günther, 9. August 1944

Paris, den 9. Aug.44.

Mein lieber Günther!

Deinen Brief vom 28. Aug. sowie den falsch adressierten heute erhalten.

Hier in Paris ist noch alles ruhig, obwohl der Tommy heute schon östlich Laval steht (Panzer[?]). Die Dienststellen hauen so nach und nach aus „arbeitstechnischen“ Gründen ab, was meiner Ansicht gemäß z. T. berechtigt ist, aber einen fürchterlichen Staub, sowohl bei den hier ansäßigen Angsthasen als auch bei den in letzter Zeit hellhörigen Franzosen aufwirbelt. Ich bin der Ansicht, daß man dies genau so gut nach und nach und bedeutend unauffälliger hätte machen können. Aber wie gesagt, die „Ehrenbürger von Paris“ sind furchtbar nervös, was auf den seit 4 Jahren geruhsamen Arbeits- und Lebensstandart zurückzuführen ist. Schöne Frauen, gutes Essen u. Trinken macht auf die Dauer die Menschen pflaumenweich, wie hier auch mal wieder das Exempel lehrt.

Ich bin ja nun einmal wie Du weißt zum Schrecken der ganzen Familie, Optimist und sehe die Sache, obwohl sie z. Zt. toll verläuft, absolut nicht so schwarz. Ich muß mich Deiner Ansicht anschließen, daß der Führer weiß was er will und in dem Augenblick schon zuhaut, ob mit neuen Waffen oder mit alten, wenn er es an der Zeit sieht. Also abwarten und Ruhe bewahren. Wir werden voraussichtlich auch nach rückwärts verlagert, wenn Du also eine Zeit keine Post bekommst, so bist Du im Bilde, da sich auch unsere Feldpost Nummer ändern wird, welche ich Dir sofort durchgebe. Die Schweinebande Stauffenberg u. andere ist ja nun inzwischen aufgehängt worden. Wie ich soeben erfahre sollen wir in die Gegend von Reims ver-

legt werden, jedoch kann dies sich noch im Laufe des morgigen Tages ändern, da wir unsere Baustellen noch näher der Grenze bekommen.

Bin mal gespannt wann V2 eingesetzt wird, verlass Dich darauf ich zähle die Minuten.

Mit deinem Kram, den Du aus Brüssel haben willst, wird es unter diesen Umständen wohl klare Scheiße sein, denn ad 1 haben wir in Brüssel seit Juli kein Büro mehr ad 2 auch keinerlei Verbindung mehr dorthin, ad 3, wie ich Dir schon schrieb auch keine Devisen mehr, da, wenn ich Miete u. Küchen[?]ung nebst Küchenfee ausgezahlt habe ziemlich blank bin. Sollte ein Wunder geschehen, wäre es zu begrüßen, aber ich glaube in Punkto Geld trotz allem Optimismus nicht an Wunder. Zu Deinem Urlaub kann ich unter den heutigen Verhältnissen natürlich nicht erscheinen so leid es mir tut, wenn Du aber zu Weihnachten als Herr Leutnant nach Hause kommst, bin ich auch dort und nehme dann für die Zeit meinen Urlaub. Sind ja auch nur noch 3 ½ Monat.

Zudem bin ich fleißig am malen und zerbreche mir nebenbei den Kopf wie ich das Zeug wegschaffe. Verkaufen hat bei dem Überangebot hier keinen Zweck zumal man in Deutschland ganz andere Preise erzielt.

Schreibe mir recht bald mal. Ich halte Dich auf dem Laufenden mit Gruß u. allem Guten
Heil Hitler!
Vater

Ein Glück, daß Du die Kahnpartie ohne die Jungfrauen gemacht hast, eventl. hätte Dich deine Partnerin nach vollzogener Lebensrettung noch aus Dankbarkeit heiraten wollen, darum also besser der Apparat zum Teufel. Raymonde war gestern hier. Sie sieht schwarz und als ich ihr deinen Schrieb über meinen Geburtstag u. die Bemerkung von Dir vorgelesen hatte, war sie entzückt u. läßt Dich herzl. grüßen.