Gustav Roos an Vater Toni, 7. Juni 1942

Russland, am 7.6.1942

Lieber Vater!

Für Deinen Brief, Foto und das Zigarettenpapier herzlichen Dank!

Du bist ja nun endgültig aus der russischen Scheiße raus und kannst wieder im gelobten Land eine ruhige Kugel schieben. Kannst einmal wieder einmal gut und ganz gut leben und Weib und Kind mit Butter und Eiern versorgen. Dass Tabak und Zigaretten knapper sind darfst Du nicht tragisch nehmen; Rauchen ist nämlich ungesund.

Über Verpflegung, warm u. kalt kann ich auch nicht klagen. Sie ist zur Zeit tadellos. Mit den Rauchwaren bin ich auch zufrieden. Geistige Getränke kamen

auch gut ran. Es waren klangvolle Namen, die auf den Ettiketten prangten: Deutz, Pommery, Hennessy, Dorrille, Rum negrita und Cointreau. Es waren zwar nur Wehrmachtsmarketenderwaren, aber, dass sie bedeutend schlechter geworden seien, kann man nicht behaupten. Wenn sich die Speisekarte mittags zur Hauptsache aus Hülsenfrüchten zusammensetzt, ist das nun einmal nicht zu ändern in einem Feldzug, aber erstens mag ich sie immer gern und zweitens gibt es jetzt auch schon ab und zu Spinat, grüne Bohnen, süße Suppen, Pudding mit irgendeinem Kompott. Kurz und gut, ich bin zufrieden! Zu zufrieden! Denn wenn man einmal so gute Verpflegung kommt, muss

da nicht auch noch etwas anderes nachkommen?

Seit gestern bin ich für einige Tage einmal wieder als Fernsprecher bei der Kompanie. Kompanie ist für uns günstig; denn man braucht nichts anderes zu tun, als Störungen zu beseitigen, d. h. wenn es welche gibt. Wir liegen hier etwa 150 m vom Russen weg, der Stützpunkt „Friedhof“, wo hin ich vorige Nacht die Leitung legte ist noch dichter ran. Am Tage muss man sich also recht klein und hässlich machen, wenn man aus dem Bunker raus will.

Diese Nacht haben wir einen Hauptmann der Sowjets gefangen genommen. Dieses Schwein wollte erkunden und hatte es fertiggebracht zwischen zwei

Stützpunkten durchzuschleichen. Zufällig entdeckte man ihn. Er hat sich nicht mehr gewehrt. Er wurde dann zum Kmp.-Chef, dort also, wo ich bin, gebracht. Bevor er hineinkam machte er eine Ehrenbezeugung. Er wurde durchsucht. Man fand bei ihm Meldungen und Karten mit wichtigen Einzeichnungen. In der Kartentasche steckte seine „Marschverpflegung“, einige Pellkartoffel! Das dürfte wohl ein Zeichen dafür sein, dass es dort allmählich etwas knapper wird. Nebenbei machte der Knabe einen sympathischen Eindruck und trug eine tadellose Uniform. Bewundern muss man seinen Mut: Ein Hauptmann

nimmt es auf sich und zwar als einzelner Mann, die feindlichen Stellungen zu erkunden. Ehrlich gesagt: Ob das wohl auch jeder deutsche Offizier wagen würde? Wohl kaum! Nicht weil er feige ist, nein, sondern weil uns Deutsche, überhaupt im allgemeinen die Menschen der heutigen Zeit, immer etwas an solchen Taten hindert, keine Angst, sondern die Rücksicht auf die Frau, Mutter, Kinder. Erst kommt bei uns die Familie, dann erst der Staat. Der Bolschewismus hat diese Bindungen zur Familie gelöst. Hier steht der Staat, bzw. die Idee an erster Stelle. Das ist wohl der Hauptgrund, der es dem Russen ermöglicht, leichter in den Tod zu gehen. So war

es bei den Spartanern, Athener und Römern. Und wir sind daher keine Krieger, Winkelriede und Leonidas’ sind bei uns selten. Wir tun unsere Pflicht und wenn wir einmal mehr tun, kostet es wohl ein wenig Überwindung.

Nun, zum Zweck des Briefes! Lieber Vater! Ich gratuliere Dir zu Deinem Geburtstag und wünsche Dir, dass Du ihn noch sehr oft feiern kannst!!! Hoffentlich können wir Feste dieser Art bald wieder einmal zusammen in der Heimat feiern!

Also, lieber Oller, alles Gute und herzlichste Grüße!

Heil und Sieg!
Gustav