Günther Roos an Mutter Elisabeth, 22. Juli 1944

Celle, den 22.7.44

Liebe Mutter!

Heute, nachdem die Operation gut überstanden ist, und der Patient gestorben ist, will ich Dir einmal schreiben. Die Operation war so eine Sache für sich. Zuerst hat der Onkel Doktor die Nase örtlich betäubt. Dann ging es los. Zuerst wurde die Schleimhaut aufgeschnitten, dann die Knorpel der Nasenscheide weggeschnitten.

Dann wurde es aber heiter. Er ging nun an die Knochen heran. Zuerst versuchte er es durch einen Handstand auf einem Meißel. Damit erreichte er aber nicht das, was er wollte. So sprach er die denkwürdigen Worte: „Schwester, geben Sie doch mal den Holzhammer.“ Doktor Eisenbart! Unwillkürlich mußte ich grinsen. Er machte jedoch keine Holzhammernarkose, sondern meißelte lustig drauf los. Ich habe also jetzt im wahrsten Sinne des Wortes gemeißelte Gesichtszüge. Nun geht es mir tadellos. Schmerzen habe ich absolut keine. So ist der Aufenthalt im Lazarett mehr oder weniger Sommerfrische. Die Ruhe hier ist direkt eine Erholung. Die Verpflegung ist fabelhaft. Morgens stehen wir um 7 Uhr auf. Dann wird sich in aller Ruhe gewaschen und anschließend gefrühstückt. Hierzu gibt es 4 Scheiben Brot mit Marmelade und ein Brötchen. Um 9 Uhr ist Visite. Da augenblicklich hier schönes Wetter herrscht, legen wir uns anschließend in Liegestühlen in die Sonne, lesen oder karten nach alter Lazarettsitte. Bin schon schön braun. Um 1/2 12 gibt es Mittagessen. Gestern gab es z.B. frische Kartoffeln, Spinat und zwei Eier. Also tadellos. Anschließend gibt es Mittagsschlaf. Natürlich auch in der Sonne. Um 3 Uhr erhalten wir ein Brötchen. Abendessen ist um 18 Uhr. Gestern gab es Pellkartoffeln mit Schellfisch und Salat und zwei Scheiben Brot mit Holländer Käse. Mein Liebchen, was willst Du noch mehr? Um 10 Uhr ist Zapfenstreich. Das einzig unangenehme ist hier augenblicklich der ewige Fliegeralarm. Mußten bisher jede Nacht 1 bis 2 Stunden in den Keller. Das ist nicht schön! Der Arzt ist fabelhaft. Die Schwestern sind katholische Nonnen. Auch fabelhaft. Ich glaube, daß ich hier noch 14 Tage die Stellung halten kann. Habe nämlich auch nicht mehr viel Lust, den Lehrgang weiter zu machen. Habe die Nase vom Lehrgang restlos voll. So, nun will ich aber schließen. Alles Gute und recht viele Grüße auch an Oma!

Heil und Sieg!
Günther

Was sagt man denn in Brühl zu dem Attentat auf den Führer? Ich dachte mich trifft der Schlag, als nachmittags davon hörte. Ein Glück, daß nichts geschehen ist. Die Folgen wären ja nicht auszudenken gewesen! Nun, wo Himmler der Chef des Ersatzheeres ist, wird hier einmal aufgeräumt werden. Reichsheinrich ist hier schon goldrichtig an der Stelle.

Heil Hitler!
Günther