Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 11. Juli 1942

Russland, am 11.7.1942

Liebe Mutter!

Zuerst will ich Dir einmal danken für eine Menge Päckchen: 9 Stück kamen wieder an. Und zwar:
1. 1 Riegel Schokolade, Zucker
2. 1 Riegel Schokolade, Zucker
3, 4, 5, 6 Plätzchen
7 4 Pralinen, Rahmkaramellen
8 10 Khedire, 2 Rollen Pfefferminz
9 20 R6 von Oma v. d. Schützenstrasse.

Alles kam tadellos an. Kein Plätzchen war zerdrückt. Ich bin gerade dabei, einen Teil zu verdrücken! Ein Hochgenuss! Also noch einmal vielen Dank!!

Ich bin noch immer bei der Kmp. und habe vorläufig noch keine Lust wegzugehen. Gestern sollte ich abgelöst werden. Ich habe dann unseren Staffelführer gebeten mich noch länger hier zu lassen. Ich wohne also in dem Bunker des Komp.-Chefs. Mein Tageslauf ist: Die Nacht über habe ich Wache an meinem Gerät. In der Zeit schreibe ich, lese oder zeichne. Um 6.00 kommt der Kaffee. Der kann nicht vor bis zur Stellung und muss fast von der Rollbahn bis hierher in Kochgeschirren geschleppt werden. Ist der Kaffee da, wasche ich mich, trinke in aller Ruhe Kaffe und lese eine

Zeitung oder ein nettes Buch dazu. So gegen 10.00 stehen meine Bunkerkameraden auf. Dann ist meine Wache zu Ende und ich kann schlafen, je nach Wetter, im oder vor dem Bunker. Abends um 9.00 kommt Essen und dazu stehe ich wieder auf. Du siehst, der Krieg ist ruhig. Der Russe macht uns wenig Sorgen. Seine Artillerie beschiesst fast immer nur die Rollbahn. Hier streut er nur ab und zu mal mit M.-G’s und bumst einmal mit Granatwerfer. Eine Zeitlang haben uns einige Scharfschützen Sorgen gemacht. Nicht einmal den Kopf konnte man hochnehmen, ohne dass es surrte. Die sind aber dann am Mittwoch mit sämtlichen schweren Waffen der Inf. beschossen worden. Seitdem schweigen sie.

Dann noch etwas: Du hast sicher auch von dieser komischen Kampfgruppe Haase gehört und gelesen, das z. Z. in Deutschland ist und in Berlin von Dr. Göbbels empfangen wurde. Es war bekanntlich 6 Wochen von Russen eingeschlossen und wurde aus der Luft verpflegt und auch sein Major, bzw. Oberstltn. Haase be-

kam aus der Luft sein Ritterkreuz! Dieses Btl. wurde einzig und allein vom I. R. 82 befreit und zwar, nachdem ein 40 km langer Streifen durch die Russen hindurch erobert wurde und über 30 Dörfer genommen waren. Das Haase-Btl. haute ab und I. R. 82 konnte ihm wieder den Rückweg bahnen.

Das Haase-Btl. kam nach Deutschland. Es hatte zwar die Dummheit begangen sich einkesseln zu lassen, war aber auch erst im Januar aus dem Reich gekommen. I. R. 82 hat den ganzen Sommer gemacht, war das Regiment, wie es in einem Aufruf unseres Armeeführers jetzt hiess, das von allen Deutschen Einheiten am weitesten nach Osten vorgestoßen war! Es machte den Winter wieder mit, zog sich unter Führung des „alten Fritz“ geordnet zurück, was auch nur wenigen gelang, immer im Kampf, mehrmals eingeschlossen, hat es sich immer wieder selbst herausgeschlagen. Und nun steht es noch immer hier und Haase ist im Reich!! Wir kommen bestimmt nie heraus! Wenn der Krieg lange aus ist, dann stehen wir

noch in Sibirien mit Stahlhelm. Wieviel hat I. R. 82 gemacht; in allen Feldzügen und wann kommen wir mal raus? Wir sind eben zu zackig und ohne uns gehts nun einmal nicht!

Und nun komme ich allmählich zum Schluss. Vater habe ich 3 L.P.marken geschickt, Du bekommst wieder 2 und 1 verwahre ich, um Günther zu schreiben, wenn ich von ihm Nachricht bekomme!

Und nun alles Gute und die herzlichsten Grüße Dir und den Omas!

Heil und Sieg!
Gustav