Gustav Roos an Vater Toni, 3. September 1942

Russland, am 3.9.1942

Lieber Vater!

Deinen Brief vom 16.8. habe ich dankend erhalten, ebenso Deine Geburtstagsgrüße! Ich kann Dir heute nun melden, dass ich mit Erfolg mein 21. Lebensjahr hinter mich gebracht habe und somit auch in das Stadium meiner Großjährigkeit eingetreten bin.

Mein Geburtstag war wieder herrlich! Er begann um Mitternacht ganz dezent bei Rotwein und endete am Morgen in einer allgemeinen Rumbesäufnis. Ausgerechnet diesen Tag suchte sich nun der Russe aus, um sämtliche Häuser unseres Dorfes in Brand zu schiessen. Das brachte natürlich verdammt viel Arbeit; denn erstens war unser Bunker so nahe an einem Hause, dass er direkt von den Flammen bedroht war, zweitens aber war durch das Niederbrennen des Hauses

unsere ganze Deckung und Tarnung zum Teufel, und das war das traurige. Und wir hatten genug damit zu tun, noch im Schutze des Qualms unseren Bunker zu tarnen. Als das zu Ende gebracht war, hatten wir noch eine Leitungsstörung, die mich bis über Mitternacht hinaus beschäftigte.

Im übrigen geht es mir ausgezeichnet (Das macht das gute Essen!) Marketendereiwaren haben wir satt da. Du wirst Dich hinsetzen, wenn Du hörst, dass ich allein für über 40,- Zigaretten und Tabak gekauft habe. Natürlich bekommt Günther davon ab. Geld habe ich ihm schon geschickt. Du siehst, ich habe eine ganz großzüge Hilfsaktion für den armen Arbeitsmann in die Wege geleitet!

Zur Zeit ist es hier „ruhig“ geworden. Ruhig, das heißt, dass der Russe in der letzten Zeit

keine Angriffe mehr in unserem Abschnitt gemacht hat. An dolles M-G.-Feuer und Granatwerfer hat man sich allmählich so gewöhnt, dass man es kaum noch als Störung empfindet (solange man nicht unmittelbar hineingerät!) Bewegen können wir uns tagsüber kaum noch, seit die Häuser weg sind. Der Russe liegt auf einem Höhenzug und sieht uns tadellos ein. Außerhalb des Bunkers kann man sich also nur robbend, kriechend, gleitend und in kurzen Sprüngen bewegen. Das traurige ist, man kann nicht einmal mehr ruhig und in gewohnter Haltung bzw. Sitzung scheißen. Auch das nur noch halb im Liegen. Doppelt peinlich wenn man einen Durchfall hat wir ich! Aber das sind ja kleine Fische und die können uns alte Landser nicht mehr erschüttern. Aber trotzdem: unangenehm ist’s doch!

Mit Urlaub ist es vorläufig noch Essig. Vielleicht Ende Dezember oder im Januar.

Ich hoffe, dass es Dir noch gut geht! Wenn Du Dich so wohl fühlst, wie ich mich, dann ist es O.K. Tatsächlich kann ich nicht behaupten, das es mir schlecht geht. Man hat sich zu sehr an das Landsknechtsleben gewöhnt. Wenn man aus einem großen Dreck in einen kleineren gerät, na, dann fühlt man sich eben wohl!

So, das genügt für heute!

Ich wünsche Dir nun alles
Gute und sende Dir
die herzlichsten Grüße!

Heil und Sieg!
Gustav