Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 25. August 1941

Kirowograd (früher Jelisawetgrad) 25. August 1941.

Liebes Lieschen!

Heute sollte es nun entgültig 145 km vor nach Krementschug am Dnjepr gehen aber Essig. Unsere Leute, welche heute in der Frühe abgefahren sind kamen ca. 30 km vor und mussten da die Wege derart aufgeweicht und verschlammt waren wieder zurückkommen, soweit die Omnibusse und Lastwagen überhaupt aus dem Dreck loskamen. Um 7 Uhr setzte der Regen ein und in knapp einer Stunde waren die Wege verschwunden und alles ein dickblüssige Schlammmasse. Von so einer russischen Strasse kannst du dir keinen Begriff machen, es ist hierbei nur ein Glück, dass die Russen dann auch stecken bleiben. Hier in Kirowograd ist es z. Zt. ganz international, hier liegen Italiener, Rumänen, Ungaren, Sloaken, holländische SS, flämische und wallonische Freikorps, Panzertruppen, Flieger, Flak Arbeitsdienst und die OT mit ihrer malerischen Uniform. Zwischendurch sieht man russische Gefangene in Arbeitskompanien mit Reinigung der Strassen beschäftigt und Gruppen von Juden mit weisser Armbinde und Davidsstern (Gott Waih geschrieen) bei Aufräumungsarbeit. Da das Judenkroppzeug nicht arbeiten wollte, haben gestern die Holländer zur Abwechslung mal ein Paar erschossen, jetzt geht es schon bedeutend besser. Das schlimmste was es hier gibt, ist die Juden und die Fliegenplage, aber wir werden beide schon meistern. Zur Zeit geht hier schon das Chininfressen los gegen die Malaria. Einige Fälle haben wir schon, aber je mehr wir nach Osten kommen je toller wird es, Spezialgebiet ist die Dnjeprmündung mit den versupften Nebenläufen.

Was tut sich sonst so in Brühl? dein letzter Brief war vom 7. August also von vor 18 Tagen, ich bin ja nun der Meinung dass du etwas mehr schreiben könntest oder hast du soviel in deinen 4 Zimmer zu tun? Jetzt haben wir hier wieder seit 4 Tagen nur Geflügel gegessen und dauernd Kompot, auf die Dauer kommt einem das auch zu Halse heraus, aber es musste gegessen werden, da der Arzt Dr. Vogel von den Privatpatienten nur mit soetwas bezahlt wird. (nicht offiziel) Gestern Abend haben wir bei einer Ukrainischen Familie und zwar bei dem Verpflegungskommissar von Kirowograd wo unser Revier eingerichtet ist. Hier habe ich in Russland die erste Jungfrau nach europäischem Muster gesehen. Ein bildhübsches Mädel von 19 Jahren mit Schuh und Seidenstrümpfen, erstklassiger dezenter Toilette und sauber gewaschen. Dabei sprach sie ein sehr gutes Französisch, sodass eine tadellose Verständigung möglich war. Endergebnis, - der Alte war mit seiner Familie bis vor Ausbruch des polnischen Krieges bei der sovjetischen Handelsgesellschaft in Paris. Die Kleider etc. haben sie aber erst jetzt nach der Besetzung durch die Deutschen wieder hervorgeholt und zum erstenmal seit Paris wieder angezogen. Im Rätestaat wäre ein Anziehen solcher Sachen mit Lebensgefahr verbunden gewesen. Wir haben bei einer Petroleumlampe in der Gartenlaube gesessen und von Paris und Frankreich erzählt. Abwechselnd wurde Wodka, Kognac, polnischer Pommeranzenliqueur und Kaffe getrunken, die Ukrainer zogen Tee vor. Gegen 12 Uhr sackte zuerst unser Staffelführer und danach Dr. Vogel sowie meine Wenigkeit glatt ab. Aber in einem war man sich einig, - weg hier aus dem Osten, bevor es zu spät ist, denn wenn man hier sein Leben verschleissen soll, - recht herzlichen Dank -!

In Krementschug werden wir 6 bis 8 Wochen bleiben und dann denke ich dass der Krieg für mich beendet ist. Zudem besteht für mich die grösste Möglichkeit

hier wegzukommen, da ich wie mir Müller I sagte zur Endabrechnung von OBL Nord West für etliche Wochen nach Audinghem zurück soll, mit anschliessenden Ferien.

Was schreibt Gustav? Wo ist der eigentlich? habe ihm bis heute eine Menge Päckchen und Briefe, zum Teil zwar alle noch unter der Feldpost 09977 – B geschickt aber seit dem 24. Juli keine Nachricht mehr erhalten. Was macht Günter? Wie geht es dem Arbeiter der Faust und der Stirn? Hast du zwischenzeitlich das Leder erhalten? Vordicht nicht falten, da es sonst nicht mehr zu gebrauchen ist. geben ausgezeichnete Stiefel für die Knaben. Die Sohlen schicke ich in den nächsten Tagen dazu. Was macht die Olle? Wo hängen die Herrn Soldaten von der Uhlstrasse? ist der Jupp auch im Osten oder der Willy? Wo ist Willy Schwerfel und Alfred Hunold? Hat keine Jungfrau ein Kind bekommen in Brühl? Hast du mein Schreiben bekommen mit den Artikel des täglichen Bedarfes die ich angefordert habe? Musst nämlich eines wissen kaufen kann man in Russland nichts, nicht einmal einen Kamm den ich sehr dringend benötige um ab und zu die schönen Haare über die kahlen Stellen zu legen. Waschlappen habe ich noch einen, also per sofort welche nach hier. Dann habe ich eine Frage. Habe ich dir bei meiner letzten Rückkehr von Wimereux einen grossen Badeschwamm mitgebracht? Frau Malliot schrieb mir sie hätte einen in ihrem Wandschrank gefunden ob der mir sei. Gekauft hatte ich einen aber ich war der Ansicht ihn dir geschickt zu haben. Habe durch Eigen wieder von der Madam 4 Flaschen bekommen, das war ein Hallo entlich noch mal etwas anständiges. Herbert seinen Nachlass an Sekt haben wir nun auch getrunken, eine Flasche habe ich noch gerettet die bei der nächsten passenden Gelegenheit getrunken wird, desgleichen habe ich von den 4 Flaschen zwei still klam heimlich in Reserve gelegt wenn man mal Zahnweh oder Magenkollik bekommt, denn man kann nie wissen, wann oder ob noch mal ein Kurier vom Kanal nach hier kommt.

Unser Staffelführer hat gedichtet, ein Strophe daraus:
Motorengeknatter ist längst verstummt
Und um die Lampe ein Falter brummt
Gedanken gehen zurück zum Kanal -
Es war einmal!

Frankreich bekommen wir nie aus den Knochen und Gedanken, aber bei allen das Gleiche. Trostlos hier die Tage und trostlos die Nächte, trostlos die Menschen und die Städte, kein Lichtblick keine Fröhlichkeit, nur Armut und grauenhaftes Elend. Na ich will mal schliessen sonst werde ich noch ganz trauerklödig. Als schreibe mal bald mit Gruss und Kuss und Grüsse an Günter und die Oma
Tony