Gustav Roos an Vater Toni, 2. Juli 1941

Am 2. Juli 1941

Lieber Vater!

Heute habe ich mal wieder Zeit, etwas zu schreiben. Der eine Brief kann bis jetzt nicht mehr weg.

Ich fahre fort, wo ich aufhörte. Also der Einsatz hörte um 10.00 abends auf. Der ausgebrochene Trupp Russen ergab sich.

Nach 2 Std. Schlaf um 0.00 raus. Verstärkung zur Hauptkampflinie! Was nun kam, war das Schrecklichste, was ich bisher erlebte. Auf der Strasse zum Kessel! An und auf dem Wege ausgebrannte L.K.W., geborstene Tanks, Dörfer, jetzt nur

noch qualmende Trümmer, die Strasse aufgerissen von grossen Sprengtrichtern, dann das Schlimmste, Leichen über Leichen, alles nur Russen, die Haut gelblich-grün, die Glieder, wie Puppen verrengt. Die Augen glotzen zum Himmel. Aus den halbgeöffneten Mündern der Asiaten blecken die Zähne, wie bei Wölfen. Beine liegen umher, halbe Beine ragen aus Stiefeln heraus, zu Brei gequetschte Köpfe quellen unter Autoreifen, verkohlte Skelette, aus den Führersitzen hängen Körper, blutig, halb geschmort, am Strassenrand Leichen in Reih und Glied ausgerichtet. Dazu dieser Gestank, besonders von den Pferdekada-

vern, die zum Platzen gequollen umherliegen. In der H.K.L. haben wir geschossen, bis am Nachmittag das Regiment, dem wir gegenüberlagen, sich ergab. 4000 Gefangene brachten wir zurück. Nebenbei, die Russen hatten dort einen 50 t. Tank eingesetzt, mit einer derart starken Panzerung, dass unsere Pak und Flak in direktem Beschuss glatt abprallten. Er fiel in unsere Hände, da er im Sumpf stecken blieb. In dem Tank waren 8 Mann und ein Frauenzimmer. Überhaupt in vielen Tanks sassen Frauenzimmer zum Teil splitternackt.

Na, wir zogen dann noch einmal über diese 12 km Strasse.

Und dann war Ruhe bis heute morgen. Um 10.00 zogen wir weiter, umgingen den Kessel und jetzt geht’s wahrscheinlich wieder geradeaus nach Osten.

Jetzt liegen wir in einem Dorf in Scheunen. Wir haben eine ganz gewaltige Seite Speck [...] zu Eier und Milch, sowas tut uns mal wieder gut.

Nun Schluss! Der Brief soll noch weg! Also alles Gute und
herzlichste Grüsse
Gustav.