Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 11. Juli 1941

Russland, den 11.7.1941

Liebe Mutter!

Post von Dir habe ich nun ziemlich lange nichts mehr bekommen. Von Onkel Jupp bekam ich heute einen langen Brief, von Käthi und Oma ein Päckchen, von Vater einen langen Brief, alle aber von vor dem Angriff. Von der Kameradschaft bekam ich heute auch einen Brief, den ich zu Deiner Beruhigung beilege. Er ist zu schön! Aber diese Sache ist nun auch in Ordnung!

Über mich gibt es nichts neues zu berichten. Immer nur marschieren! Dazu Träumen von der schönen Zeit zu Hause, die vergangen ist, und noch mehr, von der, die noch vor uns liegt, wenn der Schlammassel zu Ende ist, Träumen von Bier, Likör, Sekt, Eis, Erdbeeren, von allem Obst, was jetzt bei Euch reift, von Schokolade, Wein und Kuchen, von schöner Tanzmusik, den Zivilklamotten und vor allem nach Schlaf, Ruhe und nochmals Ruhe. Wenn ich zuhause bin, wird kein Schritt mehr umsonst gegangen. Bedenke, jetzt 750 km für mein ganzes Leben bin ich genug gelaufen. Ich trage mich mit dem berauschenden Gedanken, einen Volkswagen zuzulegen, und spare nun! Jetzt biste platt, net?! Sorge auf jeden Fall, dass Du von all diesen guten Sachen, von denen ich sprach, genug auf Vorat hast; denn meine Zunge lechzt danach, und wenn ich wieder komme, werde ich mich damit vollaufen, bzw. zustopfen lassen!!

Seit gestern abend liegen wir in einem kleinen Kaff in Scheunen. Wenn ich nicht Wache gehabt hätte, wäre ich einmal 10 Std. zum Schlafen gekommen. So waren es nur 8. Jedenfalls besser als

garnichts! In ein paar Std. geht’s wieder weiter. Wahrscheinlich werden wir dann auf diesem Marsch die Beresina überschreiten. Durch Broni kamen wir vorgestern. Feindberührung haben wir kaum noch. Und dass der Russe sich noch einmal zu einem grösseren Widerstand sich festsetzen kann, glaube ich kaum. Er läuft nun einmal! Hoffentlich ist diese Scheisse dann auch bald zu Ende!

Es geht mir soweit, man es im Feldzug so nennen kann ganz gut. Natürlich sind wir alle furchtbar müde und bereuen jede Stunde, die wir früher an Schlaf versäumt haben. Die Verpflegung mittags ist dank der russ. Schweine, Kälber u. s. w. reichlich kräftig und schmackhaft, reich an Auswahl leider nicht, das kann man ja auch nicht verlangen auf einem Vormarsch, Hülsenfrüchte, Reis, Nudeln, das ist so unsere Speisekarte, aber immer O. K. Die Abendportionen sind hier auch etwas grösser, da man hier „organisatorisch“ mehr „auf Draht ist“! Allerdings auch immer Käse, Fisch in Büchsen und Fleisch in eigenem Saft und dazu Sch[..]. Gestern bekamen wir sogar pro Mann 2 Pralinen. Na ja, hoffentlich geht’s bald zu Ende und es gibt einmal Urlaub „Heim ins Reich!!“ Das ist es was uns über alles hinweghilft: Einmal ist auch das zu Ende!!!

So und nun bis zum nächsten Brief!

Mach’ Dir keine Sorgen, ich bin es ja nicht allein und „Unkraut vergeht nicht“, wie mir „jemand“ aus Hannover schrieb.

Wie gesagt, Zigaretten und Süsses, Kuchen, Brausepulver und Turnschuhe sehr gefragt!!

Onkel Jupp u. Oma, wie Käthi danke bitte. Ich kann Ihnen z. Z. leider nicht schreiben! Grüss’ sie bitte!

Nun alles Gute und viele Grüsse an Dich u. Jünni!

Heil und Sieg! Gustav 08794 A