Günther Roos an Vater Toni, 22. Januar 1945

Im Westen, 22.I.45

Lieber Vater!

Nach langer, langer Pause erhielt ich gestern einen Brief. 4 Briefe kamen nach einer Zeit von über einem Monat hier an. Nun, dieser eine Brief, der für mich dabei war, stammte von Dir und war am 21.12.44 abgeschickt. Jawohl, zwei Monate hat es gedauert, bis er mich erreichte. So kenne ich noch immer nicht Deine neue Anschrift, und weiß nicht, wo Du eigentlich steckst und was Du machst.

Du kannst Dir vorstellen, daß ich mich trotzdem freute, Post zu bekommen. Als ich jedoch den Brief gelesen hatte, war ich sehr enttäuscht. Wenn Mutter ultraschwarze Briefe schreibt, so kümmert mich das wenig. Sie hat keinen politischen Blick, plappert mehr oder weniger nur das nach, was ihr die christ-katholischen Geister Vorreden. Sie sieht nur den engen Rahmen der Familie, und kann es nicht begreifen, daß es auch noch etwas Höheres gibt, wofür man „Freiheit“, Bequemlichkeit, ruhiges und gutes Leben, und wenn nötig, auch die Kinder opfern muß, nämlich das Volk. Es ist aber kein böser Wille, sondern Erziehung und Verwandtschaft fesseln sie. Und des-

halb nehme ich pessimistische Briefe von ihr nicht für Ernst, weil es doch nicht ihre ureigenste Meinung ist.

Etwas ganz anderes ist es, wenn Du mir solche Briefe schreibst. Von Dir könnte ich etwas ganz anderes erwarten. Du bist ein Mann, von dem ich bisher annahm, einen Weitblick für das politische und militärische Geschehen zu haben und der vor allen Dingen als alter Nazi fest an unsere Sache und an den Sieg glaubt, mag da kommen, was da will. In guten Zeiten Nationalsozialist zu sein und an den Führer glauben und auf unsere Kraft zu vertrauen ist leicht. Das kann jeder kleine Geist. Da war sogar Onkel Jupp begeistert. Das aber jetzt in Krisenzeiten zu tun, ist nicht einfach. Ich würde es sehr bedauern, wenn Du dies nicht fertig bringen würdest, und kurz gesagt, in diesem Fall würdest Du mir leid tun. Verzeih, wenn ich etwas grob werde. Aber bei uns Soldaten ist es so Usus, das zu sagen, was man denkt, und ich hoffe, so wie ich Dich kenne, wirst Du mir das auch nicht krumm nehmen. Entscheidend in diesem Kriege ist die letzte Schlacht und die gewinnen wir!! Wir hier an der Front glauben fest an den Sieg, und lassen uns durch nichts erschüttern. In diesen Tagen dringt der Russe überall in Deutschland ein. Und dennoch! Unsere Stunde ist eben noch nicht gekommen. Und sie wird kommen! Verlasse Dich darauf!!

Mir geht es noch immer tadellos.- Eben erreichte mich ein Brief vom 1.12. ebenfalls aus Denkingen. Du tobst, daß Du keine Post bekommst. Denke einmal daran, daß es ja schließlich wichtiger ist, wenn Nachschub für die kämpfende Truppe rollt. Munition ist notwendiger als Post!

Doch nun genug für heute. Alles Gute und viele Grüße

Heil Hitler!
Günther