Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 28. September 1942

Russland, am 28.9.1942

Liebe Mutter!

Gestern habe ich Dir einen Brief per Urlauber geschickt. Heute will ich Dir aber noch einmal schreiben, weil Sonntag war und zwar ein schöner Sonntag. Es war ein herrliches Wetter, einer der letzten Sommertage, die Sonne schien und man konnte einmal wieder etwas leichter bekleidet rumlaufen. Ich schlief bis neun Uhr und ging dann zum Bach runter und machte ausgiebig Toilette. Nach dem Frühstück setzte ich mich an den Klappenschrank und machte Vermittlung bis Mittag. Die Küche hatte sich des Sonntag wegen auch angestrengt: es gab Kartoffel, grüne Erbsen und Speck, außerdem eine Sonderzuteilung an Verpflegung: Ein Weißbrot, einen Blatz also, in Größe eines ausgewachsenen Kommissbrotes aus schönem weißen Mehl, dazu eine anständige Portion Marmelade, eine halbe Flasche Sekt, 30 Zigaretten und 2 Pakete Tabak pro Mann. Nach dem Mittagessen spurtete ich runter ins Dorf, zur Sauna, Sauna das ist etwas wunderbares. Da hockst Du auf einer Holztreppe. läßt Dich vom Wasserdampf verbrühen, seufzt und stöhnst, leidest unter Atemnot, der Schweiß und Dreck strömt aus den Poren. Dann kurz bevor Du erstickst, steigst Du von deiner heißen Höhe hinab und schrubbst Dich in heißem Wasser ab. Wenn Du damit fertig bist, rennst Du aus dem Haus, machst die Augen zu und springst mit einem eleganten Hechtsprung ins kalte Wasser des aufgestauten Baches. Das ganze ist eine Quälerei, wenn Du aber dann glänzend und strahlend wie ein Kinderpopo in reiner Wäsche zum Gefechtsstand zurückkommst fühlst Du Dich wie neugeboren. „Illus“ von Dir waren angekommen. Ich trank

draußen vor Bunker Kaffee, Bohnenkaffee, in dem ich meine letzten Zuckerklümpchen aufgelöst hatte, ass einen halben Blatz mit Himbeermarmelade, las die Zeitschriften und hörte im Kopfhörer Tanzmusik. Nach dem Kaffee schlürfte ich meinen Sekt, paffte Zigaretten, las uns und löste alle vorhandenen Kreuzworträtsel und legte mich dann auf die Pritsche und schlief.

Um 23.00 wurde ich wieder geweckt. Post war da, darunter Dein Luftfeldpostbrief vom 21. Ich ass zu Abend, wieder Blatz mit Sardellen und nun schreibe ich. Das war, mußt Du doch auch zugeben, ein herrlicher Sonntag!

Ja, und nun will ich Deinen Brief mal beantworten. Thema Urlaub! So leid es mir tut, aber ich glaube kaum, dass ich vor Neujahr fahren kann. Es können nur immer ganz wenige fahren und wenn es in dem Tempo weitergeht, rechne ich erst mit Januar. Das es so wenig Urlaub gibt, ist bestimmt nicht angenehm, aber Du mußt bedenken, dass wir dauernd eingesetzt sind und bei uns, wo wir so schon sehr schwach sind, jeder einzelne Mann wichtig ist. Wir müßen also warten!

Die Luftpostmarken sende ich nun in Zukunft. Das ist ja auch besser so. Und noch eins: Schick’ mir bitte nur das, was Du leicht entbehren kannst. Zigarettentabak habe ich in Masse, und Süßes bekommen wir auch. Jeden zweiten Tag gibt es bei uns eine ganze Tafel feiner Vollmilchschokolade und eine Rolle Drops. Mehr kann man doch nicht verlangen. Für ein paar gute R6 oder Khedive bin ich natürlich immer zu haben!

Mit Studium ist es nichts. Leider muß man wieder dazu 3 Jahre Dienstzeit auf dem Buckel haben und die habe ich leider noch nicht. Du sprichst in Deinem Brief von Beförderung. Ja, Obergefreiter denke ich bestimmt noch vor

Weihnachten zu werden, vielleicht auch Unteroffizier. Aber davon haben wir an sich genug. Ein Feldwebel ist unser Staffelführer, ein alter 82, der im Frühjahr vom Rgt-Nachrichtenzug kam und die Staffel übernahm. Er tut für uns was er kann und läßt uns, wenn mal weniger zu tun ist in Ruhe, ein anständiger Kerl. Er verlangt nur, dass wir in unserem Dienst auf Draht sind. Dann haben wir noch 2 Unteroffiziere, einer mit 35 Jahren, der mit mir im alten III. Btl. war und einen jungen, Abiturient mit 5 Dienstjahren, der jetzt im Winter mit dem Studium beginnen will. Alle beide sind ruhig und man kann gut mit ihnen auskommen. In der Staffel sind wir zu 11 Mann, außer zweien alles junge in meinem Alter. Die Kameradschaft ist tadellos, nicht wie im Vorjahr, wo man mit den Führern nicht auskam und auch in der Staffel selbst zuviel Unterschiede im Alter und auch im Temperament waren. Wir haben auch nicht mehr nur Niedersachsen, sondern auch einen Eifeler aus der Gegend von Irrel, einen Saarländer, einen Sachsen, einen Bayern und einen Duisburger, aber wir kommen sehr gut miteinander aus. Wir sind zwar nur die Hälfte der Leute, die einem Btl. zustehen, trotzdem haben wir fast 25 km Kabel ausgelegt, 26 Apparate ausgebaut und 3 Vermittlungsschränke, von allem 3 mal soviel, wie einem Btl. zukommt. Da ist es also zu verstehen, wenn wir Funker auch noch Fernsprecher machen müssen. Zu 4 Funker überlagern wir auch noch die Leitungen mit 3 Funklinien. An sich eine anständige Arbeit. Aber es klappt alles, wie am Schnürchen. Das macht Spass und unser „Alter“ ist zufrieden. „Alter“ ist unser Btl.-Kommandeur, ein junger

Hauptmann, 36 J., früher führte er die 9. Kmp. im III. Btl., Träger des deutschen Kreuzes in Gold. Er und unser Rgt-Kdr. sind für die Kämpfe am 17.-21. August zum Ritterkreuz vorgeschlagen!

Ja, und wenn man anständige Kameraden hat, gute Verpflegung, eine Entlausungsanstalt und eine Sauna im Rücken und außerdem fest überzeugt ist, dass im Winter alles, was gerade möglich ist, getan wird, um uns alles leichter zu machen, dann hat man auch keine Angst vorm Winter und die habe ich darum auch nicht. Also brauchst Du sie auch nicht zu haben!!

Von Flöns bekam ich heute Nachricht, er sitzt als Unteroffizier in Berlin auf einer Waffenschule. Auch Westerhoff, so schrieb es mir ist nun in Deutschland und wird Offizier. Ich muss mich anstrengen!

Ja, und nun will ich wieder Schluss machen. Bevor ich abgelöst werde, muss ich mich nämlich noch entlausen.

Mach’ Dir keine Sorgen um mich! Ich werde so oft es geht schreiben. Schick’ mir aber bitte Briefpapier. Auch von den guten Couverts die ich verwahren wollte habe ich nun auch nur noch 2!!

Herzliche Grüße und alles Gute Dir und Günther!!

Heil und Sieg!
Gustav