Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 16. Juli 1941

O. U. d. 16.7.41.

Liebes Lieschen

Seit 3 Wochen habe ich nun keine Post mehr von Euch erhalten durch den dauernden Vormarsch verständlich. Wir sind nun in Väterchen Stalins altheiligen Russland und hatten Quartier in Latyczow, östlich Ploskirow. Es ist dies die fruchtbarste Gegend der Ukraine, aber die Zustände hier sind grauenhaft. Die Bevölkerung vegetiert hier wie das Vieh. Wir hatten hier bei einer wohlhabenden Bäuerin Quartier, die mit ihren Leuten die Nacht über mit Kind und Kegel auf mit Stroh belegten Bretter schläft. Während der Nacht werden die Kleider nicht abgelegt waschen ist ein unbekannter Begriff. Kinder laufen hier alle nackt herum die grösseren tragen evtl. ein Hemd, dessen Farbe mit dem besten Willen nicht mehr infolge Dreck festzustellen ist. Kleider nennt man hier im Lande der Kollektivwirtschaft Lumpen die sich aus der Zarenzeit hinübergerettet haben. Geld kennen die Menschen hier kaum, denn hier wurde gegen ablieferung der Waren nur Bezugsbons vom Staat gegeben für die der Muschik sich in den Kollektivgeschäften das holen konnte was ihm in die Hand gedrückt wurde. Ob ihm dieses gefiel oder ihm passte interessierte den Ladenleiter, nur Juden, überhaupt nicht, wenn er nicht wollte, bekam er überhaupt Nichts. Wir machen uns in Deutschland überhaupt keinen Begriff davon, was sich in Russland überhaupt abgespielt hat. Es wird kein Mensch glauben, dass hier in der Kornkammer Europas voriges Jahr eine Hungersnot gewesen ist, von einem derartigen Ausmass, dass die Folgen heute noch nicht überstanden sind. 1939 war hier eine Rekordernte. Alles Getreide musste, da alle Scheunen von den Bolschewiken umgelegt worden sind in die Kollektivspeicher abgegeben werden. Es war eine derartige Anfuhr, dass die mit Getreide beladenen Wagen auf den Strassen bis zu 15 km hintereinander standen. Gesagt wurde den Bauern, dass 1940 Januar Getreide zum Lebensunterhalt abgegeben würde, was aber nicht gemacht wurde, da alles Getreide exportiert wurde. Nun wurden zuerst die Fleischvorräte gegessen, als nichts mehr vorhanden war die Hühner Katzen und Hunde und alsdann die Kinder und die Toten, bezw. die Erschossenen. Pferde und Kühe durften nicht geschlachtet werden, da dieselben dem Staat gehörten und auf abschlachten Todesstrafe stand. Wer seinen Distrikt verliess wurde von Militär welches die Distrikte absperrte erschossen. In einem Dorf 20 km vor Proskirow, wo wir 2 Tage Lagen sind 18 Kinder gefressen worden. Schuhe und Strümpfe kennt hier kein Mensch. Von den Kirchen steht hier auf altrussischem Gebiet nicht mal mehr eine Grundmauer. Kein Laden oder Wirtschaft gibt es mehr, mit Ausnahme der Kollektievläden in den Städten. Selbständige Berufe und Handwerker gibt es nicht, alle Menschen sind Angestellte des Staates, d. h. der Jüdisch-Marxistischen Bolschewistenbande. War das vorgeschriebene Produktionsmass nicht erreicht, bekam der Muschik entsprechend weniger Lebensmittelbons und konnte unter Umständen elend verrecken, das heisst er war Saboteur und kein Mensch kümmerte sich um ihn. Die Soziale Betreuung bestand darin, dass jedes halbe Jahr ein Arzt in das Dorf kam wer inzwischen krank geworden, musste eben so sterben. Sodann gibt es hier die freie Liebe. Unsere Bäuerin hat z- B- 3 Kinder von zwei Männer, die sich aber auch inzwischen wieder anderweitig umgesehen haben. Die Kinder sind registriert und gehören wenn sie erwachsen dem Staat, der mit ihnen machen kann was er will. Im Augenblick holen die Bauern hier wieder ihre Luxusgegenstände hervor, die sie versteckt hatten, wie z. B. Wanduhren, Bilder, Bettstellen, Nippfigüri, Gardienen, Tischdecken etc. Diese Sachen im Zimmer zu haben, war gefährlich, und ein Zeichen dass man kein echter Proletarier war. Gelegentlich einer Säuberungsaktion konnte das einem den Kopf kosten. Nach Einmarsch unserer Truppen hat man die Kommisare

samt Familie einfach totgeschlagen. Aus treuer Vater. Die Hauptbeschäftigung der Leute hier ist z. Zt. nur fressen. Sie holen nun nach, was sie in den vergangenen Jahren zuwenig bekommen haben, oder was infolge Ablieferung nicht in ihren Magen kam, weil es für einen echten Proleten nicht in Frage kam.

Das Sumpfgebiet um Proskirow und die Mücken haben wir nun hinter uns und immer geht es mehr nach Osten. Je mehr wir nach Osten kommen, je toller sieht es aus. Die Strassen welche schon in der Lemberger Gegend gehäuft voller Kriegsmaterial lagen, liegen hier noch schlimmer voll, speziell Automobile und Tanks, sowie Trecker, denen der Treibstoff ausgegangen war. Was man bisher nicht gesehen hatte ist nun regelmässig der Fall, nämlich gesprengte Brücken. Nach der grossen Hitze kommt nun ein Landregen, dass man bis über die Knöchel durch den Schlamm muss, eine zäh, klebrige Masse, die einem fast die Stiefel auszieht. Hier ist das Land der Störche, auf dem Hause in dem wir z. Zt. wohnen nisten 6 Stück, die des morgens in aller Frühe schon mit ihrem Geklapper anfangen. Heute mussten wir unser Schutzkommando entwaffnen, da die Idioten sich gegenseitig anschossen, die Rotzjungen wussten nicht wie man mit einer Knarre umzugehen hat. Tripper und z. Hauptsache Syphilis sind die hier am meisten vorkommenden Krankheiten. Mir geht es gesundheitlich sehr gut, der ganze Betrieb hier bekommt mir ausgezeichnet. Arbeit gleich null und immer ausgezeichnete Verpflegung und Revierbett mit Sprungrahmen, Keilkissen und Schlafsack. Habe meine Ordonanz der meine Brocken in Ordnung hält und bin mein eigener Herr. Die beiden Ärzte ein Wiener und ein Münchener und prima Kerle. Das einzig Schlimme ist hier nur die Getränkefrage. Kein Bier, Wasser und kein Wein. Wegen der Seuchengefahr darf man nicht immer Brunnenwasser trinken, geschweige sich damit die Zähne putzen. dafür muss man Kaffe nehmen. Ich habe im Leben noch nicht soviel Milch getrunken wie augenblicklich, den Tag ca 2 Liter. Infolge Mangel an Gemüse sind wir alle hartschissig. Bei manchen so schlimm, dass es von den Sanitäter herausgeholt werden muss, da auch kein Rizinus hilft. Wie geht es euch? was macht Gustav? habe nichts mehr von ihm gehört. Kann ja sein, dass er an die uns zu Anfang falsch angegebene Feldpostnummer geschrieben hat, eine Nummer die überhaupt keine Formation führt. Was macht Günter? Was macht die Oma? Wie mir von Kölner gesagt wurde, Radio und Zeitungen sind hier Seltenheiten, sind die Tommys mal wieder verschiedentlich dort gewesen. Schreib mal recht bald. Ciraretten brauchst du mir vorläufig keine zu schicken, aber sammle sie eifrig und schicke Gustav welche. für mich kannst du Zigarettentabak weglegen, aber mit Papier. Also alles Gute und viele grüsse auch an Günter und die Ohma mit
Heil Hitler!
Tony

Liebe Mutter zum Geburtstag herzl. Glückwünsche und alles Gute. Wenn verspätet eingetroffen, mußt du entschuldigen, da es hier keine Kalender gibt und die Zeit auch keine Rolle spielt.
Gruß
Tony