Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 2. Mai 1941

O. U., den 2. Mai 1941

Liebe Mutter!

Meine Karte und meinen ersten Brief aus dem Osten wirst Du wohl schon erhalten haben. Ich muss jetzt auf Post von Euch noch etwas warten, bis der Postverkehr wieder klappt.

Es ist jetzt genau 12.35 Uhr in der Nacht vom 1. zum 2. Mai. Was ich so spät noch mache? Telephonwache! Endlich im Fach! Germeshausen aus Bitburg (Abiturient; Jahrgang 23) und ich machen nun vorläufig den ganzen Melder- und Nachrichtenverkehr bei unserer Einheit. Das ist eine ganz verdammte Arbeit. Am ersten Mai gings nachts um 1.00 mit Überbringung einer Meldung los. Ein paar Stunden Schlaf. 7-9.00 die nächsten. Um 12.00 habe ich G. bei der Telephonwache abgelöst. Bis 6.00. 6-10.00 hatte ich frei zum Essen, Waschen und Putzen. Die Nachtwache am Telephon musste ich dann um 10.00 wieder übernehmen, da es die erste ganze Nachtwache ist, und ich am besten hier Bescheid weiss. Bis 7.00 muss ich noch hier sitzen. Vater habe ich gerade geschrieben. Und so sollt ihr auch noch etwas haben, trotzdem ich hundemüde bin.

Noch einmal: Mir geht es gut! Zu irgendwelchen sorgen und Aufregungen besteht gar kein Anlass!! Und „Polen“ kann einen Mann wie mich auch nicht mehr erschüttern! Wie gesagt: „Stur wie ein Panzerwagen!!“ Also keine Aufregung! Und solange ich noch den Nachrichtendienst hier machen kann, macht es mir sogar noch Spass! Nicht mehr stures Exerzieren, es ist interessant und man erfährt auch allerlei.

Noch etwas zu den Briefen! So weit es geht, werde ich versuchen Euch und Vater immer regelmässig zu schreiben. Und wenn mal ein paar Tage nichts kommt, so denke nicht sofort, ich wäre schon geplatzt. Ich bin eben Soldat. Und ausserdem ist Krieg. Den lieben Verwandten teile bitte schonend mit, dass ich sie nicht mehr mit soviel Briefen, wie bisher beglücken könne. Wenn es geht, werde ich Ihnen natürlich auch schreiben.

War Vater schon in Brühl, ist er, oder kommt er noch? Was macht Jünni? Vielleicht schreibe ich ihm auch morgen!

Nebenbei meine Stube ist so in Ordnung! Zu 11 Mann liegen wir zusammen. Die geistige Hochfinanz der Kompanie: 1 stud. arch. 1 stud. jur. 1 stud. mach. 1 stud. elektr. 2 Abiturienten, 3 Leute von der Bank und 2 Handwerker. In der Freizeit wälzen wir immer schwere Probleme. Du glaubst gar nicht, wie gut einem das tut. Das hilft einem auch dazu bei, das Leben beim Kommiss angenehmer zu machen.

An unserem Leben hat sich sonst noch nichts geändert. Heute haben wir Löhnung bekommen. 30 Sloty = 15 RM. Wahrscheinlich muss ich meinen Zigarettenkonsum bis auf ein Minimum einschränken. Das Geld, was ich dabei spare, wird verfressen!!

Das soll mal wieder für heute genügen!

Alles Gute und herzliche Grüsse

an dich, Günther und

alle anderen!

Heil und Sieg!

Gustav

F.P.N. 09977B

Wenn Du einmal auf einem Wagen dieses Zeichen siehst, dann denk’ an mich!!