Gustav Roos an Vater Toni, 30. August 1941

Russland, am 30.8.1941

Lieber Vater!

Auf Post von Dir zu warten habe ich schon aufgegeben. Ich weiss von Mutter, dass Du mir geschrieben hast; aber es ist noch nichts angekommen. Die Postverbindungen zwischen uns scheint katastrophal zu sein. Wir liegen vor der Desna. Der Feind hat sich hier vor uns wieder mal zur Verteidigung eingerichtet; das heisst, wir werden einmal wieder eingesetzt werden. Knapp 14 Tage sind wir vom Dnjepr aus hierher marschiert. Die Wege waren schlechter, denn je, teils hoher Sand, teils vollkommen versumpft. Wir und auch die Gäule waren immer total fertig, wenn wir abends im Quartier ankamen. Aber anstatt Ruhe, hatten wir dann Waffen- und Fahrzeugreinigen und sonstigen Dienst. Dazu noch jede Nacht Wache. Das hat mir mal wieder gereicht! Weisst Du, Krieg spielen ist noch garnicht so schlimm, aber man darf nicht in einem so echt preussisch-sturen Regiment sein, wie ich augenblicklich das Glück habe. Nach der berüchtigten Beschäftigungstheorie wird aber nun auch jede freie Minute ausgefüllt, allen möglichen Quatsch machen wir, aber zum Waschen, dazu

einmal seine Klamotten in Ordnung zu bringen kommt man kaum. Die Zeit, einen Brief zu schreiben, muss hart erkämpft werden. Wenn man andere Marschkolonnen sieht, so marschieren diese ohne Mütze, Ärmel aufgekrempelt, Rock auf, Gewehr wie Hermann Löns, und wir? Wir rennen da, stur das Gewehr angezogen, als einzige Marscherleichterung darf ab und zu einmal der oberste Kragenknopf geöffnet werden. Wir gehn auch nicht etwa dort, wo der Weg am besten ist, nein, wir trampeln stur in der Wagenspur. Ein blöder Verein!!

Eins ist gut hier: Das Essen! Meist mittags und abends warm. Sehr viel Fleisch! Wir bekommen schon einmal frisches Gemüse, Milchsuppen, Apfelreis und Kompott; denn Äpfel sind das einzige Obst, das es hier gibt. Mit den kalten Portionen immer das alte Lied: Konserven, Konserven! Ein Kamerad und ich haben uns aber jetzt eine Bratpfanne organisiert und so machen wir uns schon einmal Spiegeleier, Bratkartoffel und Reibkuchen und als ganz besondere Delikatesse Leber.

Ein anderes Thema: Ungeziefer! Ganze Züge im Bataillon waren schon verlaust, hatten Krätze und Flöhe. Sogar bei uns

im Stab war, wie es sich gestern beim Gesundheitsappell herausstellte, ein grosser Teil mit Läusen besät. Ich habe bisher damit Glück gehabt. Sogar von Flöhen, die andere den ganzen Tag plagen, bin ich bisher verschont geblieben. Ich glaube, meine Nikotinbrühe bekommt den Viechern nicht.

Sonntag, den 31.8.41

Gestern abend wurde ich durch das Abendessen gestört, als ich zurückkam, war es dunkel. Heute morgen sind wir nun noch einmal 10 km vorgerückt. In dem Dorf, in dem wir nun liegen, war gestern noch der Russe. Also wir sind mal wieder dran. Ob Angriff oder Verteidigung, bzw. Sicherung, ist noch nicht raus. Abwarten!

Zur Zeit ist hier ein ganz doller Betrieb in der Luft. Den ganzen Tag über brummen über uns die Bomber nach Süden herunter, wahrscheinlich nach dem Kiewerkessel. Der Russe wagte es in den letzten Tagen 2 x die Rollbahn anzugreifen. Er hatte aber immer Pech. Unsere Jäger holen sie in Rekordzeit herunter. Das Wetter ist nun übel. Die Sonne scheint zwar immer, aber mit Aus-

nahme der Mittagsstunden kann man kaum noch ohne Poullover rumrennen. Nachts ist es schon einfach furchtbar kalt. Ich sehe schwarz, wenn wir den Winter über hierbleiben sollen. Der Herr möge uns davor behüten!

So und nun antworte mir bitte bald wieder! Wenn Du kannst, dann schick’ mir auch nochmal Zigaretten. Damit ist es nämlich hier ganz übel bestellt!

Alles Gute und die herzlichsten Grüsse!!

Heil und Sieg!
Gustav.