Gustav Roos an Bruder Günther, 6. Mai 1941

xyz, den 6. Mai 1941

Lieber Jünni!

Allmählich wird es mal wieder Zeit, dass ich Dir schreibe. Die Sache mit dem Tanztee bei Brunners ist ja ganz toll! Wenn das mal gut gegangen ist. Elefant und Panter müssen ja ein komisches Tanzpaar sein! Na, hoffentlich habt Ihr Euch gut amüsiert!

Mir geht es nun nicht gerade so gut wie Dir, aber man kann’s aushalten. Der Dienst ist nicht schwer (bis jetzt, toi, toi!!) und das Essen ist gut. Nur so furchtbar kalt und nass ist es hier. In Brühl ist es schöner! Heute habe ich mal wieder Nachtwache am Telephon. Da komme ich mal wieder dazu einen Brief zu schreiben. In unserer Baracke gibt es keine Tische und keinen Ofen. Schreiben ist also nach Feierabend unmöglich. Und da unsere Stube aus der sogenannten geistigen Hochfinanz besteht, entwickeln sich immer interessante Gespräche nach Feierabend. Jeden Abend nehmen wir ein Thema. Gestern war es Musikgeschichte, mal Malerei, Geographie u. s. w. So auch Mathematik einmal. Wir haben nachzuweisen versucht, dass die M. ganz unwirklich ist. Da gelingt prima: z. B. Was ist eine Zahl? Kannst Du Dir unter 5 etwas vorstellen (einfach eine 5) oder die Rechnerei mit -5 (negativen Zahlen)? Oder folgende Rechnung: 1/0 = ~/1 Stimmt, nicht? Nun multiplizier’ einmal aus: Ergebnis 0 = ~! Komisch!

Durch das Thema „Atomzertrümmerung“ kamen wir einmal auf etwas ganz interessantes: Atom ist ein kleinstes Teilchen. Bei der Atomzertrümmerung werden Elektronen abgespalten. Was sind aber Elektronen? Es sind keine Körper mehr sondern Kräfte; Jeder Stoff besteht aus Atomen, damit auch Elektronen. Damit ist aber der Stoff kein Körper mehr, keine Materie, sondern nur ein Kraftfeld. Stell’ Dir das vor! Alles was Du siehst ist Kraft, unendliche Kraft nach dem Energieerhaltungsgesetz. Wo ist Gott?! Einer gab die Antwort: „Gott ist die Kraft!!“ Gott ist alles, das Alles!! Derselbe Schluss, den wir damals auch aus Deiner Weltalltheorie zogen.

Hattest Du damals nicht auch von einer Ausnahme des Energieerhaltungsgesetzes gesprochen? Oder wenigstens einer möglichen Ausnahme? Wenn ja, so erkläre sie sie mir bitte in deinem nächsten Briefe kurz!

Dann wäre ich Euch auch sehr dankbar, wenn Ihr mir erstens 1 anständiges Buch schicken würdet (z. B. Bamm’s „I-Punkt“ oder Burgels „Kleine Freuden“ also so etwas philosophisch-satirisches) 2. ab und zu einmal ein paar Illustrierten Frankf. Koralle, Hamb. oder sonst was, und ausserdem etwas Seife (Toilettenseife)

Dann noch eine Frage: Habt Ihr meine zwei Päckchen aus dem Lazarett erhalten, und wie war „Sergeant Berry“?

Hat Euch ausserdem ein Unteroffizier Goyer meinen Quetschebüggel geschickt?

Da ich Dir nun solange nicht mehr habe

schreiben können hat sich bei mir die Post wieder angehäuft. Fast alle unsere Freunde sind versetzt worden und haben neue Feldpostnummern. Die will ich Dir nun angeben:

13 6 19 Heinz Heinemann, irgendwo im Osten. 25 5 21 gehört unserm lieben Baule Bauckmann. 17 6 19 teilt mir Massa Schommers mit. 10 8 16 Karl seit dem vorigen Monat. 17 22 11 musst Du an Karl-Heinz schreiben. 16 10 20 ist die neue Feldpostnummer von unserem Vetter Hans-Herrmann.

So schreib’ denen nun einmal und vergiss’ mich bitte auch nicht ganz. Und denk’ auch bitte an den Lesestoff. Denn kaufen kann man hier nichts!

Nun alles Gute und herzliche Grüsse

Dir, Mutter und den Omas!

Heil und Sieg!