Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 20. September 1941

Russland, am 20.9.1941

Liebe Mutter!

Vorgestern bekam ich wieder 5 Päckchen mit Zigaretten, Drops, Brause, Marzipan und Koka. Vielen Dank! Päckchen No. 5 von Tante Uta habe ich auch erhalten. Vater hat mir jetzt 2 x aus Kirowo geschrieben. Er ist auch nicht gerade begeistert von Russland, obgleich es ihm wahrscheinlich besser geht als mir.

Bei uns noch immer das gleiche: Arbeitsdienst!! Die Kälte nimmt von Tag zu Tag zu. Der Winter rückt immer näher.

Wie geht es Euch nun? Man hört, der Tommy sei ganz aktiv geworden. Münster soll am meisten mitgenommen sein und sei nun ge-

räumt. Stimmt das? Wie sieht es in Köln und Brühl aus? Was machst Du eigentlich? Ich kann es mir ja denken: Da sitzt Du. Auf einmal öffnen sich die Schleusen. Frage: „Wo mag Gustav jetzt sein? Wo mag er diese Nacht schlafen?“ Günther: „Nu hür doch endlich op! Der litt in Russland un is froh, dat e dat net hüre bruch!!“ So und ähnlich werden sich wohl Eure Tischgespräche zusammensetzen. Stimmt es?

Beruhigt Euch! Es geht mir ganz gut. Das wichtigste: Essen und Verpflegung sind gut. Heute gibt’s zum ersten Mal nach einem Vierteljahr Frischwurst und zwar eine gute Cervelatwurst.

Ich überlege mir schon, was ich so im Winter hier anfangen werde. Soll ich eine Dissertation über den „Hausbau in Russland“ verfassen, soll ich mich auf den Expressionismus stürzen oder bei der Erforschung von Atlantis überschnappen? Lieber wäre es mir allerdings ich könnte bei Wickop wieder Bauko und bei Habicht Kunstgeschichte hören!! Wie steht es mit Entlassung oder Beurlaubung zum Studium? Erkundige Dich doch bitte mal bei den in Frage kommenden Leuten, Schommers, Schwerfel und Wilhelm, ob, wie und wann das eventuell möglich ist!

Noch eine Bitte an Günther:

Auf dass ich nicht ganz verblöde, schick’ mir Lesestoff. Der Gedanke mit dem regelmässigen Bezug der „Frankf.“ war schon grandios. Weiterhin gefällt mir das „Reich“ (30 Pf.), die „Hamburger“ (20 Pf.) und der „Simplicissimus“ (30 Pf, 14 tägl.) Vielleicht auch mal ein Reclam-Heft oder etwas aus dem Insel-Verlag, über etwas, was mich interessiert! Ihr werdet schon was finden!

Für heute nun alles Gute
und die herzlichsten Grüsse
an Dich, Günther u. d. Omas!

Heil und Sieg!
Gustav.