Gustav Roos an Vater Toni, 8. Juli 1942

Russland, am 8.7.1942.

Lieber Vater!

Heute habe ich Deinen Brief vom 17.6. erhalten. Ich kann mich nun nur intensiv darüber wundern, dass Du noch keine Post von mir bekommen hast!

Ich habe Dir im Juni zu Deinem Geburtstag gratuliert und gestern zum Namenstag. Da musst Du entschuldigen! Ich kann das nun einmal bei Dir und Oma nicht auseinanderhalten. Nun will ich es jetzt wenigstens wieder in Ordnung bringen: ich gratuliere Dir also nachträglich zu Deinem Namenstag im Juni und wünsche Dir alles Gute zu Deinem Geburtstag!!

Zur hohen Strategie! Ich hatte also doch recht, als ich sagte, der Angriff würde im Sü-

den und Norden losgehn.

Eine Stadt, wie Moskau ist unmöglich im Frontalangriff zu nehmen. Vielleicht machen wir dort wieder einen riesigen Kessel. Da wir nun einmal frontal vor Moskau liegen, haben wir uns bisher auch noch nicht zu Tätigkeiten hinreissen lassen.

Günther ist ja mit dem heutigen Tage nicht mehr General der Heimatfront, sondern steht nun im schlichten braunen Kleid in der Reihe der Arbeiter des Spatens. Sein Abitur bekommt er ja geschenkt. Und ich glaube auch der R.A.D. wird ihm gut tun, genau so wie mir; denn der R.A.D. hat mir bestimmt dazu verholfen, die ganzen Strapazen in Russland ohne Wimpernklimpern auszu-

Ich stehe zur Zeit vor einem gewaltigen Problem: Offizier oder nicht?! Man hat mich schon mehrere Male gefragt, ich bin bis heute immer geschickt jeder Festlegung ausgewichen. Allmählich sehe ich mich aber gezwungen, mich zu entschliessen. Wenn ich O. A. werde, werde ich zuerst eine Gruppe in der Kompanie zu führen bekommen, dann evtl. Kriegsschule und Weiterbeförderung zum Offz. Damit rückt dann allerdings ein Studienurlaub in weite Ferne. Bleibe ich bei der Staffel, bekomme ich nach 2 Jahren meinen zweiten Winkel, werde vielleicht auch Unteroffizier, wenn eine Stelle frei wird. Um Offz. zu

werden, bleibt mir nur der Weg über die Infanterie. Was rätst Du mir??! Ich warte auf baldige Antwort!! Schreib’ bitte Mutter nichts davon! Denn sie würde nur sagen: „Zu nichts freiwillig melden!“ Und Du berücksichtige bitte folgendes, dass ich es nämlich leid bin Aschloch zu sein und vor jedem komischen Unteroffz. die Hacken zu klappen. Außerdem hat mich auch Jünni noch etwas beeinflusst!

Und nun wünsche ich Dir noch einmal alles Gute zu Deinem Geburtstag und sende Dir die
herzlichsten Grüße!

Heil und Sieg!
Gustav

Einliegend eine Luftfeldpostmarke!