Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 29. Oktober 1941

29.10.41

Liebes Lieschen, deinen Brief erhalten nebst den beiden Päckchen mit Lametta und Zigarettenpapier. Von Gustav habe ich einen Brief vom 13.9. erhalten und ihm heute auch 30 Zigaretten nebst Zigarettenpapier geschickt. Es steht also nun fest, dass ich am 15.11. hier abhaue und am Kanal mich acht oder 14 Tage herumschlagen muss. Bleibe aber vorher einige Tage zu Hause und nehme daran anschliessend meinen Weihnachtsurlaub. Die Reise nach Hause wird mit Aufenthalt in Berlin acht Tage in Anspruch nehmen, sodass du mit meiner Ankunft so um den 23. herum rechnen kannst. Ich glaube dass ich einer der Wenigen bin, die von uns in Urlaub kommen, da heute schon alles darauf hindeutet, dass infolge Verkehrsschwierigkeiten bezw. der weiten Entfernung ein Urlaub nicht in Frage kommt. Am Dienstag oder Mittwoch geht es von Poltawa weg nach Stalino, wo wir voraussichtlich 14 Tage oder 3 Wochen bleiben werden. Ich rechne damit, dass ich meine Heimfahrt von Rostow aus antreten werde. Ich könnte ein Flugzeug benutzen, aber das hat den einen Nachteil, dass man kein Gepäck mitnehmen kann und ehe ich das im Stich lasse, fahre ich lieber die Zeit mit der Bahn, zumal ich ja auch pro Tag 11,75 Rm Reisespesen erhalte mal 8 Tage sind auch 100 Rm und per Flugzeug bekomme ich nur zwei Tage vergütet. Zeitungen habe ich gestern auch die ersten erhalten vielen Dank. Frau Mailliot hat mir auch Zigarettenpapier und Waschlappen geschickt nebst Cognac, sodass ich auch in dieser Hinsicht bis zu meiner Abreise gesichert bin, halte also alles da und schicke nichts mehr. Gustav schreibt mir sehr fidel und hatte einige Tage Ruhe. Er hat nur Angst der Krieg könnte über den Winter gehen. Ich glaube es kaum, denn wenn Petersburg , Charkow das Donezbecken und evtl. Moskau gefallen sind ist es für Russland praktisch unmöglich weiter zu kämpfen, da nicht nur die gesammte Kriegsindustrie in unserer Hand ist, sondern auch von uns ein Gebiet besetzt ist, welches von ca. 110 Million Menschen bewohnt ist. Eine Materialbeschaffung über Sibirien ist fast unmöglich, da von dort aus aldann auch die einzige Lebensmittelzufuhr möglich ist. Das heisst also entweder Munition und verhungern, oder leben und keine Materialien. Hier wintert es schon gewaltig, ich danke Gott, dass ich die wattierte Russenjake habe ist wirklich ein Genuss. Das avisierte Paket mit Fresskalien ist erst wie mir der Fahrer mitteilte am 12. mit nach Deutschland gegangen und wird von Berlin aus aufgegeben. wird also so um den 30. herum ankommen. Gestern haben wir Kilopaket Nr 7 aufgegeben eine Büchse Rindfleisch. Nr 8 ebenfalls Rindfleisch folgt morgen. Bin mal gespannt was davon ankommt. Was gibt es in Brühl Neues? Die Tommis sind mal wieder wie der Heeresbericht sagt dort gewesen. Haben sie eigentlich viel Unheil angerichtet? Weiss die Oma immer noch nichts Neues von Brühl? Sonst geht es mir nach wie vor ausgezeichnet und wie Gustav schreibt

soll ich selbst in Russland wie ein Negerfürst leben. Essen ist ja mehr wie reichlich nur mit dem Gemüse ist es hier ganz beschissen, zumal man aus Frankreich dieserhalb so sehr verwöhnt war wo es den ganzen Winter über immer alles gab.

Was macht der Wunderknabe Günther? Ist ihm der JV Kompanieführer noch nicht in den Kopf gegangen, immerhin Hauptmannsrang, Gustav ist tatsächlich der Einzige Gemeine in der Familie. Habe ihm auch nochmals geschrieben, dass er für Weihnachten seinen Urlaub nimmt unter Hinweiss darauf dass sein Alter schon ebenfalls seit Juni 1940 an der Front steht und wir uns seit letztem Weihnachten nicht mehr gesehen hätten. Hoffentlich ist er bei aller Intelligenz, intelligent genug dies auszuwerten. Fliegerbesuche haben wir hier im Südabschnitt keine mehr. Man hat hier Regimenter gefangengenommen, welche ohne Maschinengewehre waren, überhaupt macht sich bemerkbar dass die Kerntruppen des Gegners erledigt sind. Wenn wir nicht vorgehen hört hier sozusagen jeder Wiederstand auf.

Schreiben kannst du mir nach Erhalt dieses Briefes nicht mehr da die Post mich hier nicht mehr erreicht.

Also alles Gute mit Gruss Kuss und Heil Hitler auch an Günter u. die Oma
Tony

Und damit ich es nicht vergesse, so erlaube ich mir jetzt schon Dich und Günter zum Namenstage herzlichst zu gratulieren. Wir können ja dann nach meiner Ankunft in Brühl einen verlöten. Sorge nur bitte jetzt schon dafür, dass Du genügend Brand hast, und ob du Kerzen bekommst. Damit man sich in dem Zimmer auch wohl fühlt. Wieviel Du inzwischen auf „de Kass“ getan hast kann ich mir so ziemlich denken, und dass es Dir Spass macht Geld zu sammeln weiss ich, na ja der eine sammelt Briefmarken oder Bilderschecks und Du sammelst Geld, ist immerhin ja ein Sammelobjekt, welches sich lohnt. Ich habe hier auch mal etwas davon gesammelt.

Und da mir nun gerade einfällt, daß Du ausserdem noch am 23. Oktober Geburtstag hast, so gestatte ich mir auch hierfür zu gratulieren und gebe zwecks schnellerer Beförderung diesen Brief auf dem Dienstwege durch Luftpost auf. War heute zum erstenmale nach ½ Jahr wieder im Kino und hatte das Pech so ein trauerklödiges Stück: „Der Weg ins Freie“ zu sehen. Die Wochenschau war interessant und kann ich Dir empfehlen dir dieselbe auch öfter anzuschauen, bekommst sodann ein richtiges Bild von hier.

Gestatte mir auf dein Wohl einen Anissette zu trinken ist etwas süß aber mal eine Abwechslung. – [?] hat dafür aber auch 45 %.
Tony.