Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 20. September 1941

20/9.41.

Liebes Lieschen

Deinen Brief vom 2. September dankend erhalten. Von Gustav erhielt ich ebenfalls 2 Briefe heute und zwar vom 27.7. und 7.8. worin er mir schrieb dass es im verhältnismässig ganz gut ginge und dass das Essen auch wieder einigermassen sei. Nur wegen Rauchwaren schrieb er, aber da kann ich ihm auch nicht mehr helfen, da auch hier kollossaler Mangel herrscht. In den nächsten Tagen schicke ich ihm 12 Zigarren, die ich gesammelt habe. Habe wieder ein Fresspaket zusammen von 12 Büchsen, muss aber mal abwarten bis jemand nach Deutschland fährt. Ein Kilo-Päckchen mit Japanischem Thunfisch (eine Delikatesse) sende ich gleichzeitig ab. Sonst geht es mir noch sehr gut, auch gesundheitlich. In acht Tagen geht es wieder weiter nach Russland hinein, voraussichtlich nach Charkow, welches vor dem Fall steht. Von den russischen Städten, kann man nur einmal schreiben, weil eine wie die andere egal eintönig und drecklich ist. Zerstörte Kirchen, halbverhungerte Menschen, und ganze Stadtviertel zerstört, überall das gleiche Bild. Der Dnjeper ist hier ca 800 m breit die Brücke die wir hier bauen ist 1100 m mit Rampe. Was hier in den letzten 10 Tagen an Panzer, Autos aller Art, Geschützen, Pferden und Soldaten übersetzt worden ist, ist kaum glaublich, Tag und Nacht ununterbrochen. Wie es scheint will man das Donerzbecken besetzen, womit auch die russische Industrie zu 85 % in unserer Hand wäre. Gelingt das, so glaube ich dass der Krieg mit Russland noch in diesem Jahre zu Ende geht. Ein vorgefundener Befehl von Stalin selbst unterschrieben an den Armeekommandeur besagt, dass wenn die Dnjeperlinie nicht gehalten würde der Krieg für Russland verloren sei. Jeder der zurückwische würde erschossen werden. Herr Offermann war aus Wimereux hier und erzählte uns, dass die Engländer so in Boulogne gehaust hätten. Am hellen Mittag haben die Schweinhund in das Geschäftszentrum von Boulogne Lufttorpedos abgeworfen. Erfolg 87 Tote 38 Vermisste und 300 Schwerverletzte.

Was meine Versetzung nach Frankreich anbelangt, so habe ich alles in die Wege geleitet, denn ab Ende Oktober werden Winterquartiere bezogen, vielen Dank. Was macht Günter eigentlich, der Herr könnte ja auch einmal schreiben. auf meinen Brief mit 5,-- rm Einlage hat er mir auch noch nicht geantwortet. Das Paket mit der Wäsche, und den Fresskalien, (Holzkiste verschnürt) ist wohl inzwischen angekommen? Deine Päckchen habe ich noch nicht erhalten. Alles Gute mit Gruss u. Kuss
Tony.