Günther Roos an seine Eltern, 6. Juli 1943

Celle, den 6.7.43

Liebe Eltern!

Leider habe ich bis heute noch immer keine Post von Euch erhalten. Ein Glück, daß Vater hier war und ich so weiß, daß nichts passiert ist. Was war denn bei dem letzten Angriff wieder los? Ich war sprachlos, als ich hörte, daß der Tommy schon wieder einmal da war. Was hat er diesmal zerstört?

Heute schreibe ich als einer, der dem Leben wiedergeschenkt wurde. Gestern war bei dem selben Leutnant, der uns nach Bergen gelotst hatte, eine Mutprobe. Mit dem Leben hatte ich abgeschlossen, und mich von der Welt verabschiedet. Was wir machen mußten, hätte jedem Zirkus Ehre gemacht. Das Programm war:

1.) Balance über einen Balken in 4 m Höhe und Absprung in Sand. Anzug: Volle Felduniform.
2.) Sprung durch einen Flammenring. Durchmesser 1 m. Anzug wie 1.
3.) An einem Drahtseil über die Aller( 30 m ) und zurück schwimmen. Anzug Drillichzeug, Schuhe.
4.) In einem Bunker wurden wir mit scharfen Handgranaten beworfen. Anzug: Felduniform.
5.) In einem Kreis von 10 m um eine Sprengstelle von einer 5 kg-Ladung liegen. Anzug wie 4.

6.) Absprung aus 10 m in ein Sprungtuch. Anzug Sportzeug.
7.) Boxen

Du siehst, ein reichhaltiges Programm, das jedem Zirkus Ehre gemacht hätte. Außer einem Muskelkater und einer leichten Zerrung in der linken Wade habe ich alles gut überstanden. Das Ergebnis war: 3 Mann Lazarett (ein Schädelriß, ein Bluterguß in der Bauchhöhle und eine Gehirnerschütterung mit leichtem Dachschaden) Mehrere Meter Mullbinden und qm Pflaster wurden verbraucht. Der ganze Lehrgang humpelt. Nur zwei Mann haben schlapp gemacht. Der Kommandeur hat uns seine besondere Anerkennung ausgesprochen. Jetzt kann uns nichts mehr erschüttern.

Nun will ich aber schließen und etwas schlafen. Viele Grüße an die Verwandtschaft

Heil und Sieg!
Günther