Toni Roos an Sohn Gustav, 1. Juni 1939

Trier, d. 1.6.39

Mein lieber Gustav!

Die schönen Urlaubstage sind vorbei und es ist so als ob man in einem Film gewesen sei. – aus. Ich bin um das Eintrittsgeld ärmer aber es war schön.

Hoffentlich hast du dich wieder gut eingelebt, fällt die ersten paar Tage schwer, aber der Mensch gewöhnt sich an alles. –

Habe heute abend mal gut gelebt, tut auch meiner armen Seele gut, denn wenn der Corpus nicht das Nötige bekommt trauert die Seele.

Zur Zeit sitze ich auf meiner möbelierten Bude, sauber mit einem leichten Anklang an den Jugendstil, den ich „so liebe“ und trinke auf dein Wohl (wovon du zwar nichts hast) einen herrlichen Zwetschen, das einzige was hier in Trier Geist hat.

Seit gestern am 30/5 (Mai-Oktav) bimmeln die Glocken in einem fort. Das Gebimmel stört mich zwar, aber aufregen tut es mich nicht, muß nur darüber nachdenken, daß wenn ich bimmeln würde ich von der Polizei ein Strafmandat bekommen würde. Wo bleibt hier die Volksgemeinschaft? Mir vis à vis hat heute etwas geheiratet, heute um 7 ½ ging das Theater los, jetzt gröhlt die ganze Gesellschaft und soeben hat sich das glückliche Paar in die Betten verkrümmelt, bei offenem Fenster, die Leute sind hier so naiv wie die Karnickel, morgen laufen dem glücklichen Ehemann die Augen über und er kommt zu der Erkenntnis, daß es noch schönere Frauen gibt als seine Auserwählte. (siehe Bibel – und da gingen ihm die Augen auf etc.)

Gerade singt die Hochzeitsgesellschaft „Ihr Kinderlein kommet“, so wie ich die Braut kenne ist dies absolut nicht notwendig ich glaube die kommen noch früher als den beiden lieb ist, aber schaden kann es auf keinen Fall.

Nun zum politischen Teil.

Krieg gibt es nicht. Wie ich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe, hat Polen z. Zt. 2/3 seiner Kriegsstärke unter den Waffen.

Ergo muß Polen innerhalb einer Zeit von 4-6 Monaten finanziel pleite sein. Von uns wird die Polakei dauernd beunruhigt was zur Folge hat, daß die Polen nicht demobilisieren können.

Ist die Pleite da muß Herr Beck per Saldo und wenn es 2 Jahre dauert zum Führer kommen und der wird ihm als dann sagen, was der Dreck kostet. England hat bereits abgeblasen, denn wenn es die Sache mit Polen ernst gemeint hätte, so wäre der Herr Kunig in der kritischen Zeit nicht nach Amerika gefahren.

Die Russen sind bezl. Polen nicht auf einen Nenner zu bringen und warten nur auf unseren Einmarsch, um alsdann (zum Schutz Polens!?) das gleiche zu tun. (4. Teilung Polens) Also keine Ungeduld „Land in Sicht“.

Wie war denn der Abschied, haben die Klageweiber auch ordentlich gemauzt? Hat Günter eine Anleihe bei seiner Bank für dich erhoben? Oder hat er sich wie

meine Schwiegermutter benommen? Wenn ja nimm es ihm nicht übel, das Kind ist vorbelastet.

Wenn du etwas brauchst, so schreibe mir ich schicke es dir gerne.

Hat dein Onkel Jupp dir auch was mit auf die Reise gegeben? desgleichen deine Frau Mama? (ist auch vorbelastet). Was Geld anbelangt so leiden alle an der Chorlittis[=?], ist zwar nicht ansteckend aber erblich, wenn darauf Sterilisierung stünde würde die Familie deiner Mutter aussterben.

Was gibt es denn bei euch Neues? Werdet Ihr auch schön geschliffen für den Gauparteitag. Soetwas ist etwas ganz erhabenes, denn dabei können die Stammeshäuptlingen (Gauleiter abwärts) sich mal so ähnlich fühlen wie der Führer.

Mir geht es gesundheitlich gut habe nur verteufelt viel Arbeit und bin abends froh wenn ich um 10 Uhr in die Falle steige.

Also Gustav schreibe recht bald u. so verbleibe ich mit vielen Grüßen und Heil Hitler,
Vater

Gut für 2 Bier