Elisabeth Roos an Sohn Gustav, 3. November 1942

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Brühl den 3.11.42.

Mein lieber Gustav!

Deinen Brief vom 10.10. habe ich jetzt erst erhalten, er war vom 18.10. abgestempelt, ebenfalls erhielt ich deinen Brief vom 21.10. von Wjasma. Es hat mir nun außerordentlich leid getan daß Wjasma dich so enttäuscht hat, ich hatte mich schon mit dir gefreut daß du mal in eine Stadt kommen würdest und dort mal etwas Abwechselung haben würdest. Aber nun war es ja nur eine Enttäuschung. Wie ist es nur mit deiner Verwundung? ist schon alles wieder geheilt? und geht es dir auch sonst noch gut? Es scheint wohl jetzt ruhig bei euch zu sein, denn im Wehrmachtsbericht hört man nicht viel von der mittleren Front, hoffentlich bleibt es auch ruhiger dort. Vater schrieb mir heute wieder sehr optimistisch, daß der Russe wohl bald erledigt sein würde. Es wäre mein sehnlichster Wunsch. Über den heutigen Brief von Vater war ich nun auch sehr enttäuscht, er schrieb mir daß er nicht zum Wochenende kommen könnte, er würde erst Weihnachten für einige Tage kommen, und seinen Urlaub würde er sich nehmen wenn du in Urlaub kommst, das kann ich natürlich verstehen. Ich bin ja nun froh daß Vater Weihnachten zu Hause ist, wenn du und Günther dann nicht hier sein kann. Aber ich hoffe jetzt bestimmt daß wir uns im Januar alle wiedersehen, und das wird uns auch die Zeit schneller vergehen lassen. Ich sitzte jetzt abends auch meistens allein, im Dunkeln kann man nicht viel herausgehen, auch schon wegen des Alarms nicht, und Tante Ella die sonst abends schon häufiger kam, ist gestern nach Berlin gefahren bis nach Weihnachten.

Welters sind nun auch schon 3 Wochen weg, auf 2 Zimmer wohnt Familie Schmitz, und wo Welters die Küche hatten und das Erkerzimmer haben 2 Damen aus Köln. Fliegergeschädigte.

Von Günther habe ich jetzt 8 Tage keine Post erhalten, er scheint wohl sehr wenig Zeit zu haben, die ersten Wochen sind ja wohl immer die schwersten. Aber ich hoffe daß er doch Sonntag geschrieben hat, und ich heute oder morgen Post bekomme. Was schreibt er dir? Inzwischen wirst du wohl auch wieder 2 Pakete von mir erhalten haben, Nr. 5 u. 6. und auch wieder Briefpapier. Kleine Päkchen kann ich dir nun keine mehr schicken, da ich nichts mehr für drin habe. Vater hat euch ja Bonbons und Schocolade selbst geschickt, und hier kann man ja nichts mehr kaufen, und zugeteilt bekommen wir auch nichts mehr an Süßigkeiten. Ich spare jetzt Mehl, Zucker und Eier zum backen für die Weihnachtspakete, Butter muß Vater mir schicken. Schicke mir auch deine Zulassungsmarken. Sonst ist hier in Brühl noch alles beim alten. Gestern stand eine Todesanzeige von Horst Müller in der Zeitung, der Sohn von Gerichtsvollzieher Müller, er ist als Leutnant der Infanterie bei Stalingrad gefallen. Auch der einzige Sohn. Du hast ihn doch auch gut gekannt. Siegberg habe ich jetzt länger nicht gesehen, wo er jetzt dran ist weiß ich nicht. Nun hoffe ich daß ich in den ersten Tagen auch wieder Post von dir erhalte.

Für heute will ich mal wieder schließen, ich wünsche dir auch weiter alles Gute und herzliche Grüße u. Küsse
deine Mutter.