Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 7. April 1942

Goslar, am 7.4.1942

Liebe Mutter!

Nun ist es passiert. Die Bombe ist geplatzt! Als ich Samstag Abend nach Hause kam, stand ich bei den Versetzungen am schwarzen Brett. Ostersonntag wurde ich eingekleidet, untersucht, zweimal geimpft, Gasmasken geprüft, gepackt, von 8.00-18.00 kamen wir nicht zur Ruhe. Montag morgen um 6.00 fuhren wir ab. 13.00 kamen wir in Goslar an. Hier liegen wir nun im Saal eines Hotels. Heute morgen um 8.00 war Wecken. Dienst ist vorläufig noch keiner. Ich bin nun wieder bei einem Marschbataillon. In Goslar werden wir noch einige Zeit liegen bleiben. Wohin es dann geht, ist noch nicht raus, wahrscheinlich aber doch nach Russland.

Die Sache kam ja plötzlich und wir waren ziemlich peinlich überrascht. Es ist nicht das erhabenste Gefühl, aus dem Reich wieder abhauen zu müssen, all das wieder vor mir zu haben, was ich im vorigen Jahr erlebte. Aber das ist ja halb so wild, damit musste ich rechnen. Nur dass für Dich jetzt wieder die Zeit kommt, in der Du Dir Sorgen machen musst, das ist es, was mir am meisten auf den Magen geschlagen ist. Und darum bitte ich Dich um eines: wenn

es auch mir leichter machen willst, dann mache Dir nicht soviel Sorgen. Denk’ doch daran, dass einer über mich wacht und heute schon bestimmt ist, was mit mir geschieht, und Deine Tränen können nichts mehr daran ändern!

Gestern nachmittag habe ich mir nun einmal Goslar angesehen. Ein wundervolles Städtchen, nicht nur all das, was aus dem Mittelalter stammt, sondern auch die modernen Bauten haben einen schönen, klaren Stil. Anschliessend an den Bummel durch die Stadt, habe ich in einem Kaffée Kuchen gegessen. Und dann, höre und staune, habe ich zu abend gespeist, gegessen ist wohl nicht der rechte Ausdruck. Mein Abendessen bestand nämlich aus einer tadellosen Ochsenschwanzsuppe, Austern, gebacken mit Weinkraut und Kartoffelbrei und zum Abschluss eine Portion Eis. Das war dann ein kleiner Ersatz für den versauten Ostersonntag, an dem ich abends nur noch bei Joep einige Bier getrunken habe. Zum Abschied hat mir Herr Depp eine 25-er Packung R6 geschenkt.

Donnerstag erhielt ich Dein Osterpaket. Vielen Dank dafür! Die Plätzchen waren fabelhaft und sind deshalb auch schon mit den Zigaretten verdaut. Das andere habe ich noch mit. Samstag erhielt ich von Tante Uta noch ein Päck-

chen mit 30 Zigaretten. Zu rauchen hatte ich also die Tage über.

Freitag kam in Göttingen aus dem Lazarett auch Wolfgang Mölke an. Ich habe von ihm wieder neue Photographien bekommen. Ein Teil stammt noch aus Polen, die andern sind im August gemacht. Verwahre sie bitte mit den anderen!

Vorige Woche bekam ich auch endlich Post von Vater. Günther schrieb mir aus seinem komischen Lager. Seine Adresse war einmal wieder so schön geschrieben, dass man sie mit dem besten Willen nicht entziffern konnte. Auch Vater schickte mir einen Brief meines holden Bruders, der wie ein Fragment einer ägyptischen Hieroglyphenmschrift aussah.

Ja, und nun werde ich mich noch einige Zeit hier aufhalten, bis es weggeht. Wir sind vollständig neu ausgekleidet. Tadelloses Zeug alles. Jetzt könntest Du Dich wieder mit mir sehen lassen. Die Marschportion, für 2 Tage, war toll, 1 Brot, ½ Butter, und über ein Pfd Mettwurst.

Nun noch eines zu Deiner Beruhigung: Ich komme wieder als Funker hinaus. Zwei Parolen gehn zur Zeit um, eine, dass wir zu unserer alten Feldeinheit kämen, die andere, dass wir nach dem Westen in Marsch gesetzt würden. Beide, besonders die letzte gehn um. Also hoffen wir

das Beste!

Eine Adresse kann ich Dir noch nicht angeben. Wir haben nämlich noch keine Schreibstube.

Ich schreibe Dir bald wieder und halte Dich auf dem laufenden!

Nun alles Gute und die
herzlichsten Grüsse!

Heil und Sieg!
Gustav

P.S. Schreib’ mir bitte an folgende Adresse bis eine neue kommt und schick’ mir bitte etwas viel Geld! Denn nun heisst es:
Carpe diem!
Nütze die Stunde!

Gefr. Gustav Roos
Goslar. Schützenhaus.