Günther Roos an Mutter Elisabeth, 11. Januar 1944

Zyradow, den 11.1.1943 [richtig: 1944]

Liebe Mutter!  

Will Dir heute wieder einmal schreiben. Deinem edlen Gewächs Günther geht es natürlich noch tadellos. Halt, das ist etwas übertrieben! Sagen wir teils-teils. Unterkunft gut. Ja, es ist ein Vergnügen in einem ordentlichen, weißgedecktem Bett zu liegen, ohne daß die Läuse Wettrennen veranstalten. Eine Wonne! Dann das Essen. Das ist bestimmt fabelhaft. Morgens gibt es Brot mit Marmelade. Gestern Mittag gabs zuerst Suppe, dann Huhn mit Kartoffeln und Möhren. Heute Mittag gabs wieder Suppe, und dann Rührei mit Makaroni und Tomatentunke. Abends gibt es auch meist warmes Essen. Also bestimmt gut.

Ich liege auf einem Raum mit 9 Betten. Radio haben wir auch, mit anderen Worten, man kann es schon aushalten wenn- ja, wenn man gesund wäre. Leider ist das nun nicht der Fall. Habe ein Mordsforunkel unter der rechten Achselhöhle etwa in der Größe einer

dicken Wallnuß. Da das Ding noch nicht auf ist, habe ich ziemliche Schmerzen. Na, das wird auch noch werden. Ähnliche Apparate habe ich noch im Nacken, in der Kniekehle und am Oberschenkel. Es ist zum Kotzen! Die Sache am Fuß ist glücklich heil und nun bekomme ich diesen Mist.

Nun habe ich eine Bitte. Ich weiß nicht, wie lange ich hierbleibe. Schreibe doch nach hier, denn ich habe schon über einen Monat keine Post mehr erhalten. Die letzten Neuigkeiten stammen also von Mitte November. Mich zu besuchen hat keinen Zweck, sonst geht es Dir wie bei der Fahrt nach Radom. Im übrigen ist das Polen von heute nicht mehr das von 1941. Nach Deutschland komme ich ja auf jeden Fall.

Alles Gute und viele Grüße
Günther