Gustav Roos an Mutter Elisabeth, 13. und 15. September 1941

Russland, am 13.9.1941

Liebe Mutter!

Heute, am Samstagnachmittag muss ich Dir einmal wieder schreiben. Du weisst ja, dass dieser Nachmittag der schönste der ganze Woche für mich war. Heute in den Atempausen zwischen der Arbeit hatte ich einmal wieder genug Zeit darüber nachzudenken. Ja, wenn ich mal wieder zu Hause bin, dann werde ich diesen Nachmittag wieder geniessen! Wenn sich der Herdfegergestank verzogen hat, wenn ich gebadet habe, reine Wäsche und den Tangoanzug anhabe, dann setze ich mich an den Kaffeetisch. Du wirst mir, wie immer, die Geléebutterbrote schmieren, das Radio spielt und dann wird ein alter

Krieger Euch seine Taten berichten. Anschliessend so’n kleiner Bummel durch Brühl, mit Ruhepausen bei Moll und Knott, und dann wieder gemütlicher Abend bei einer schönen Musik und einem guten Buch mit einer anständigen Zigarette hinter einem starken Kaffee und einem französischen Likör. Die Aussicht darauf, dass diese schönen Nachmittage einmal wiederkommen, lässt einem das Leben beim Kommiss in Russland noch ertragbar erscheinen. Ja, freuen wir uns heute schon darauf!

Wie kommt eigentlich bei Dir jetzt meine Post an? Mütter von Kameraden schrieben, sie hätten 14 und mehr Tage nichts mehr von Post gesehen. Ist das bei Dir

auch der Fall? Mach’ Dir auf jeden Fall keine Sorgen, der Krieg ist zur Zeit ruhig, mit der Verpflegung bin ich zufrieden und im übrigen bin ich noch gesund und munter!

Uns erreichte heute eine unangenehme Nachricht. Unsere Post wird für einige Tage ausfallen, da das Auto eine Panne hat und zur Werkstatt muss!

Gestern und heute bekamen wir das erste Mal seit Beginn des Feldzuges gute Butter! Die schmeckte!!

Im übrigen alles beim alten! Für heute einmal genug!

Alles Gute Dir, Jünni u. den Omas!

Heil und Sieg!
Gustav.

Russland, am 15.9.1941

Liebe Mutter!

Da das Postauto kaputt ist, geht Deine Post natürlich auch nicht weg. Deshalb will ich Dir auch heute noch ein paar Zeilen schreiben. Wir arbeiten noch immer, die gleiche Zeit und im gleichen Tempo. Das Essen ist noch gut und so geht es mir noch verhältnismässig gut!

Ich hoffe, dass der Brief heute weg geht.

Nochmal alles Gute
Gustav.