Günther Roos an seine Eltern, 6. Mai 1943

Celle, den 6.5.43

Liebe Eltern!

Komme erst heute dazu, Euch zu schreiben. Hoffentlich seid Ihr gut in Brühl wieder angekommen. Ist mein Paket mit Wäsche inzwischen dort angekommen? Inzwischen ist nun hier allerhand geschehen. Ich habe mich auch gewaltig verändert.

Vorgestern ist unser Leutnant abgehauen. Hatte abends noch einen tadelloser Abschiedsabend, der bis um 1 Uhr nachts dauerte. Es gab sogar Schnaps und so war eine ganz nette Stimmung da. Am anderen Morgen, also gestern, war schon um 3 Uhr Wecken. Um 4 Uhr gings ab nach Bergen zum Scharfschießen. Morgens war es ganz nett. Aber jetzt kommt die Katastrophe. Um 11 Uhr war Feuerpause. Es war tiefblauer Himmel und die Sonne schien. Wir lagen an einem Südhang. Ich legte mich also an einen Strauch in den Schatten, und da ich nur 2 Stunden geschlafen hatte, war ich bald fest am grunzen. Um ½ 3 wurde ich durch das Geheule unserer schweren Koffer geweckt. Aber da war das Schreckliche schon passiert. Die Sonne hatte sich gedreht, und ich hatte nach meiner Berechnung 2 Stunden Zeit gehabt, mein Antlitz zu verunstalten. Das ganze Gesicht brannte wie Feuer. Aber es kam noch toller.

Die Heide war ausgedörrt, und begann nun an den Einschlagstellen der Wurfkörper zu brennen. Sofort ging es im schönsten Qualm mit Spaten dem Brand zu Leibe. Hatten wir glücklich die eine Ecke gelöscht, und gingen 100 Meter weiter. Waren wir auch hier glücklich fertig, so fing es drüben wieder an. Es war zum Knochenkotzen. Nachdem wir es schließlich doch geglückt war, ging es noch 11 Km zum Bahnhof, nach Westen, der Sonne entgegen. Zu Hause angekommen, sah ich in den Spiegel. Zuerst dachte ich, ein anderer sähe mir entgegen. Zwei weiße Augen, und die Zähne waren normal. Das Gesicht schwarz in dunkelrot. Ein Stalingradkämpfer war Dreck dagegen. Ich wusch mich mit Müh und Not und es ging mir wie einem Hummer. Zuerst schwarz, dann rot. Kurz, ich sehe einfach süß aus. Bin jetzt nur gespannt, wie es sich weiter entwickelt.

Nun will ich aber schließen. Alles Gute und die besten Grüße
Günther