Toni Roos an Oberverwaltungsführer Müller, 30. September 1941

Anton Roos
Feldpost 05200
Einheit 59
O. U. den 30. Sept. 41.

Herrn Oberverwaltungsführer Müller I

Wie mir mitgeteilt wurde, hat die Zentrale Berlin das Übernachtungsgeld auf Rm 1,-- pro Tag festgesetzt.
Da ich diese Preisfestsetzung für etwas übertrieben halte, gestatte ich mir Ihnen nachstehend einen reizenden Überblick über meine Quartiererlebnisse in Russland zu geben:

Russenkaserne Ruda. Strohlager, Klosettanlage und Wasser fehlen, drei Läuse gefangen.

1 km westl. Januszowce. Übernachtung mit 2 Kameraden in einem Raum gemeinsam mit einem Flintenweib, deren Schwiegermutter und 3 kleinen Kinder. Strohsacklager! Waschgelegenheit am Bach. Gestohlen wurden mir hier 1 Oberhemd 1 Paar Strümpfe 2 Waschlappen u. 3 Taschentücher. Vor dem Schlafen Fliegen u. Mückenjagd.

Latyczow. Quartier in der russischen Frauenberatungsstelle. Misthaufen vor dem Fenster. Stube belegt mit 4 Mann. Strohlager. Fliegenplage unerträglich, wie vor.

Winniza. Quartier Sägewerk. Schlafgelegenheit Strohsack. Wasser nicht vorhanden Klosettanlage im Gefängnis nebenan. Zimmer ohne Fenster und Türe

Haysin. Quartier in verlassener Judenwohnung. Kein Fenster, Brunnen 15 Minuten entfernt, kein Klosett. Die ersten Wanzen 9 Stück erledigt. Anderes Quartier bezogen ebenfalls verwanzt. Abends Fliegenjagd.

Umanj Quartier in der Judenstadt, in verlassener Judenwohnung. Wanzen in rauhen Mengen. Fliegenplage unerträglich. Da keine Fliegenfänger vorhanden, Vernichtung mit gefaltener Zeitung. Rekord an einem Tage 497 Fliegen. Der Frontarzt im Zimmer nebenan ging als II. Sieger mit einer ähnlichen Abschussziffer zu Bett. Gestohlen wurden mir hier 1 Unterhemd, eine Unterhose, 2 Paar Strümpfe und 3 Taschentücher.

Kirowograd. Quartier in der verlassenen Wohnung eines jüdischen Arztes. Schmutz unbeschreiblich. Betten da verwanzt unbenutzbar. Strohsack. Bewohne Zimmer mit Frontarzt gemeinsam. Jeden Abend Wanzenjagd Rekord an einem Abend 53 Stück. Jeden Abend vor dem Schlafengehn eine Stunde Fliegenjagd. Da Mückenplage unerträglich trotz grosser Hitze in Decken eingewickelt. Das erste Bad seit 7 Wochen.

Pawlysch. Quartier mit Frau und 2 Kinder in einem Raum. 7 Läuse gefangen. Kein Wasser, Waschgelegenheit am Bach. Da Haus nicht verschliessbar abhanden gekommen 1 Hemd u. eine Decke. Fliegenplage wie vor.

Krjukoff. Quartier, verlassene Wohnung des Direktors der techn. Schule. Wasserstelle 10 Minuten entfernt. Abort für Deutsche unbenutzbar, daher Fahrt ins Freie. Jeden Abend Wanzen u. Mückenjagd wie vor. 3 Flöhe im Schlafsack gefangen.

Dies ist nur ein Auszug aus meinen Quartiererlebnissen und möchte hierzu bemerken, dass ich noch erstklassig untergebracht war. Die Herrn aus Berlin, die diese Übernachtungssätze festgesetzt haben, sollen einmal, wie es hier meisstens der Fall ist den berühmten Dünnpfiff haben und nun in den kalten Nächten

oder bei strömendem Regen sich ins Freie setzen. Oder aber wie es hier in Krjukoff der Fall ist in den kalten Nächten in einem Zimmer schlafen wo keine Fensterscheibe ganz ist und man bei Regen mit seinem Schlafsack von einer Ecke in die andere zieht weil der Regen durch die Decke kommt. Von Übernachtungen auf der Vormarschstrasse, oder in Heuschober wie es desöfteren vorgekommen ist will ich garnicht reden und macht auch mal Spass, dass ich aber dafür noch Pro Tag eine Rm. zahlen soll, geht mir sowohl wie meinen Kameraden nicht in den Kopf.

Im Einsatz Nord-West, Calaisetc. wurden die Übernachtungsgelder je nach Güte des Quartiers bis zu Rm 30,- im Monat in Abzug gebracht, wogegen niemand etwas einzuwenden hatte. Da Sie nun aber mit den Kameraden der Verwaltung auch ähnliche Verhältnisse angetroffen haben werden möchte ich Sie bitten bei der Zentrale Berlin eine andere Regelung anzuregen.

Mit Heil Hitler!