Toni Roos an Sohn Günther, 3. Dezember 1942

Brühl, den 3. Dez. 42

Mein lieber Günter!
Geehrter Herr Sohn!

Nachdem ich Dir nun am 24. und 29. November geschrieben habe ohne Antwort zu erhalten, gestatte ich mir nun zum drittenmal an Dich zu schreiben.

Sollten diese Briefe nicht in deinen Besitz gelangt sein und ich auch auf diesen keine Antwort erhalten werde ich in Berlin an maßgebender Stelle das Weitere veranlassen. Ich bitte also um Mitteilung ob Du Post von mir erhalten hast.

Wie ich Dir schon kurz mitteilte gehe ich nicht mehr zur O.T. zurück, sondern ich gehe vorläufig nach Dessau in einen Lehrgang. Anschließend zum Reichsluftfahrtministerium Abtlg. Abwehr und komme von dort aus in neuen Einsatz.

Bezüglich Gustav ist alles beim Alten. Gestern war ich in Köln, wo ein Kamerad seines Zuges in Urlaub sein sollte. Leider habe ich den Knaben nicht mehr angetroffen, da er am Tage vorher wieder zur Front abgereist war. Seine Frau konnte mir nur sagen, daß ihr Mann von dem Verschwinden Gustav’s wußte, da die ganze Kompanie den Fall als rätselhaft betrachtete, und trotz eifrigem Suchen auch nicht eine Spur zu finden gewesen sei. Er hat folgendes erzählt.

In der Nacht vom 29 auf 30. Oktober seien sie in verschiedenen Gruppen zu je 8 Mann auf Stoßtruppunternehmen vorgegangen. Das Unternehmen sei harmlos gewesen ohne viel Schießerei. Als man zum Ausgangspunkt zurückgekehrt sei, habe man Gustav vermisst und sei daraufhin sofort zurück auf Suche gegangen, aber ohne

Erfolg. Anschließend und auch an den folgenden Tagen habe man hierin nicht nachgelassen aber keine Spur mehr entdecken können.

Da man nun annahm Gustav habe sich verlaufen und käme zurück hat man mit der Benachrichtigung an uns bis zum 9.11. gewartet. Zuletzt sei man allgemein der Ansicht gewesen, daß zu gleicher Zeit ein russischer Spähtrupp unterwegs gewesen sei, der Gustav abgeschnappt und mitgenommen hätte. Anders sei die Sache nicht zu erklären.

Letzteres ist wie gesagt eine Vermutung,die natürlich nicht amtlich mitgeteilt werden kann. Sie deckt sich aber insofern mit der amtlichen Mitteilung die besagt, daß verschiedene Suchaktionen ohne Resultat verlaufen sind. Ich habe mich nun mit der Vermisstenstelle in Berlin Schöneberg in’s Benehmen gesetzt und auf dem Wege über die schwedische Gesandschaft und das

Schwedische Rote Kreuz Ermittlungen in die Wege geleitet.

Und nun noch eine andere Sache. Da ich in neuen Einsatz komme und voraussichtlich Weihnachten nicht hier bin, reiche bitte für Weihnachten Urlaub ein, damit Mutter nicht alleine ist. Sollte der Urlaub unter den gegebenen Verhältnissen dennoch abgelehnt werden, so werde ich offizielles Urlaubsgesuch loslassen, mit den nötigen Begründungen, denn Mutter kann Weihnachten nicht alleine bleiben.

Es tut mir leid, daß wir keine Gelegenheit hatten uns nach fast einem Jahr zu sehen und zu sprechen, aber halte den Kopf hoch und beisse auf die Zähne. Wenn Du Geld brauchen solltest, so schreibe Mutter schickt Dir sodann.

Also nochmals alles Gute und baldige Antwort mit
Heil Hitler!
Vater