Toni Roos an Sohn Gustav, 15. Mai 1940

Trier, d. 15.5.40.

Mein lieber Gustav! bin gestern nach einer tollen Fahrt wieder in Trier angekommen. Um 9 Uhr wurde ich von Mutter u. Günther feierlichst zur Bahn begleitet und kam, höre u. staune um 17.38 in Trier an. An jedem Bahnhof blieb mein Zug stehen um Truppentransporte durchzulassen, Du machst dir keinen Begriff, was hier durch zur Front geht und eine Stimmung haben die Soldaten, kaum zu glauben. Bei meiner Ankunft in Trier Hauptbahnhof hatte ich das Vergnügen den Abtransport von ca. 2000 gefangenen Franzosen Engländer u. Belgier beobachten zu können. Die Kerle machten einen sehr niedergeschlagenen Eindruck und man hörte kein Wort, der Transport sah sich an, wie ein Begräbnis erster Klasse mit 4. Pastören u. 6 Pferden. Bei mir im Hotel Sebu wohnt ein Nachrichten-Häuptling, welcher mir aus der Vernehmung der gefangenen Offiziere eine interessante Schilderung eines französischen Kapitäns gab. Auf die Frage wie es zu seiner Gefangennahme gekommen sei sagte er, das wisse er selbst noch nicht. Er entsinne sich nur, daß plötzlich links seiner Stellung deutsche aufgetaucht seien, die er unter M.G. Beschuß genommen habe, dann seien rechts von ihm welche aufgetaucht plötzlich seien die Deutschen rechts u. links verschwunden gewesen um alsdann in seinem Rücken zum Angriff vorgestossen zu sein. Es habe alles derart blitzschnell gegangen, daß jeder Wiederstand seiner Leute ausgeschlossen gewesen sei. Wo die Deutschen in seine rückwärtige Stellung gekommen seien u. wie sei ihm ein Rätsel. Er kam zu dem Schluß, daß die französische Heeresleitung einer derartigen Kampesmethode nicht gewachsen sei. Ein belgischer Offizier konnte nur immer nur eines sagen: „Es war furchtbar, es war furchtbar“. Die Wirkung der Stukas muß verheerend sein, wo die ihre Bomben fallen lassen ist kein Kraut mehr gewachsen. Hier in Trier geht es in Staffel hinter Staffel zur Front. In Abständen von ½ Stunde beobachten wir Schwärme von 60-70 Stück in geschlossenen Verbänden gegen Westen. Nachdem die Flugzeuge ihre Ladungen abgeworfen haben à tempo zurück neu geladen und wieder nach vorne, so geht dies auf der ganzen Front. Mensch bekommen die Saueres. Gestern u. Heute ziehen Kolonnen über Kolonnen aller Waffengattungen hier durch gegen Westen, man macht sich gar keinen Begriff, zur Hauptsache motorisierte Einheiten und Infanterie. Die dicken Brocken während der Nacht, und das rappelt dann so schön. Wie schwach die Westmächte in der Luft sind, geht daraus hervor, daß noch keine rückwärtige Anfahrt-Verbindung wie Eisenbahn oder Brückenbauten angegriffen, geschweige zerstört sind. Du

kennst doch Trier mit seinen Brücken u. Bahnanlagen, es ist noch alles so wie zu deiner Zeit in Trier noch kein Rossapfel ist vom Himmel gefallen. Die Luxemburger haben auch Widerstand geleistet. Auf der Igeler Brücke stand ein luxemburgisches Armeekorps bestehend aus einem Leutnant u. 14. Mann Gewehr (Modell 1866) bei Fuß. Als die deutschen Truppen die Brücke überschritten haben sie schnell das vorher gut geölte Tor zugemacht und Kampfstellung eingenommen. Ein Panzer rammte daraufhin das Tor ein und das Luxemburgische Heer wurde nachdem es 2 Schuß abgegeben hatte entwaffnet, die dabei gemachte Beute an Kriegsmaterial u. Geschützen wird zur Zeit gesichtet, genaue Angaben können noch nicht gemacht werden. Das berüchtigte Luxemburgische Hetzblatt „Escher Tageblatt“ wurde liquidiert und dem Erdboden gleichgemacht. Die Juden aus dem Ländchen z. T. übele Emigranten sind sichergestellt worden, die SS hatte allerhand zu tun. In der Riegelstellung südlich Saarbrücken sind z. Zt. starke Kämpfe im Gange. Hier wird die Magiotlinie bestimmt durchbrochen und ohne übermäßige Verluste, wie das gemacht wird weiß der Teufel. Die Verwundeten, die gestern hier durchkamen waren alle in bester Stimmung u. Zuversicht. Heute kamen per Bahn die ersten Beutestücke von Belgien durch, sehr schöne Lokomotiven u. Waggons hoch mit Eisen und sonstigen Metallen beladen, Schienenmaterial in rauhen Mengen. Soeben erreicht uns hier die Nachricht, daß Jünkerath diese Nacht mit schweren Bomben belegt worden ist, desgleichen Köln u. Essen und Aachen. Nach einer telefonischen Verbindung mit Köln haben einzelne Feindflieger den Flughafen Ostheim mit 2 Bomben getroffen und zwar das Rollfeld. In Worringen hatte einer es auf die I.G. Farben abgesehen hat aber statt dessen die Kirche getroffen und eine 2. Bombe ist im Ort gelandet, welche einige Häuser zum Einsturz gebracht hat. Heute am 17.5.40 haben wir immer noch keinen Fliegerbesuch hier in Trier und auch noch nicht in Brühl gehabt. Dauernd fluten Gefangene hier durch um in’s Innere abgeführt zu werden. Seit dem 14. wo ich hier angekommen bin ununterbrochen marschiert Militär aller Truppengattungen durch zur Front, wieviele Millionen mögen nun zum Entscheidungskampf angetreten sein? Der Aufmarsch nimmt u. nimmt kein Ende und ein Material – einfach fantastisch. Verlass dich darauf, der Führer hat gut vorgesorgt. Gefangene Franzosen u. Engländer hatte man in einem polnischen Arbeitslager vorläufig untergebracht. Die Soldaten haben sich wie die wilden auf ihre Bundesgenossen gestürzt und um der Prügelei ein Ende zu machen hat man die feindlichen Brüder getrennt. Amerika wird sich schön aus dem Kriege halten, dafür sorgt schon der Japaner. Jetzt rückt die Zeit heran, daß der Italiener eingreift, meiner Ansicht gemäß ist es nur noch eine Frage von Tagen wann er loslegt. Wie mir von einem Nachrichtenmatz gesagt wurde ist die große Schlacht im Raume Namur – Antwerpen in vollem Gange und der Franzose etc. in schnellem Weichen. Man rechnet mit 2 Monaten mit der Niederwerfung Frankreichs und dann geht es nach England, wenn es noch existiert. Mit Zigaretten ist es hier auch knapp verleg dich auf Eigenfabrikation. Den Wisch habe ich gestern Gott sei Dank auch erhalten. Ein paar Rm und etliche Brotmarken lege ich Dir auch bei. Wie denkt man in Hannover über den Krieg? Schreibe mir mal darüber. Daß es Dir gut gefällt in Hannover macht mir Freude, setz Dich nur dahinter. Wenn Du besondere Wünsche hast schreibe mir. Sonst geht es mir noch recht gut. Schreibe mal recht bald und ausführlich bis dahin mit vielen Grüßen und Heil Hitler!
Vater
Einliegend Rm 5,- bitte Empfangsanzeige.