Toni Roos an seine Frau Elisabeth und Sohn Gustav, 22. Mai 1940

Trier, d. 22.5.40.

Liebes Lieschen! Deinen u. Gustav’s Brief mit vielem Dank erhalten und ersehe daraus, daß ihr den Großangriff auf Brühl gut überstanden habt. Was das für ein Theater gewesen ist, kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Welters haben den Rosenkranz gebetet, Adoschkeritz haben zu ihren evangelischen Heiligen hinaufgeschaut und dem Günther wäre am liebsten eine anständige Tasse Kaffe u. ein Schnaps gewesen. Wie Tante Käthchen u. Katti lamentiert haben. Pass mal auf durch die Fliegerangriffe kommt die Tante nochmal an’s laufen. Daß du aber die Eisenkiste mit in den Keller nimmst ist jucksich, du kommst noch mal in den Verdacht über unheimliche Vermögenswerte zu verfügen.

Hier in Trier hat der böse Feind sonderbarerweise noch kein Bömbchen geschmissen, wir sind selber darüber platt. Daß die Engländer auch mal zu spüren bekommen was Fliegerangriffe sind wirst Du schon in den nächsten Tagen zu hören bekommen, die Propaganda jeden Tag hat sich bald in der Welt rundgesprochen. Jeden Tag geben die Auslandstationen durch daß wieder Engländer offene Städte bombardiert haben und dann geht es von uns aus los, aber wie, verlass dich darauf, daß London in Schutt und Asche gelegt wird. Am Sonntag kann ich mit dem besten Willen nicht kommen, denn erstens habe ich Sonntag Bereitschaftsdienst und zweitens bin ich ziemlich klamm, denn der Urlaub hat mich allerhand an Überstunden u. 30,- Rm an Tagegelder gekostet. Wenn ich nur Samstag u. Sonntag noch wegbleibe sind für mich mal wieder 30,- Rm futsch. Dann soll Gustav lieber nach hier kommen das kostet mich nur 13,- Rm Fahrgeld für ihn. Aber wenn er kommt nur bei Tage, denn Jünkerath und Gerolstein sind schon ein paarmal bei Nacht bebombt worden. Mir geht es noch recht gut. Hier gehen Tag u. Nacht immer noch unheimliche Mengen an Material u. Truppen durch. Gestern Abend wurden wieder ca. 5000 gefangene Franzosen entladen, alles ganz junge kleine Kerlchen und furchtbar verdreckt und schlecht montiert. Die ausgestandenen Schrecken konntest du ihnen noch ansehen. Die Belgier u. Engländer hat man auch im Gefangenenlager Petrisberg trennen müßen. Die Keilerei war so stark, daß 2 Tote am Platze geblieben sind von den Verletzten nicht zu reden. Anbei etwas Butter zur gefl. Bedienung und dann trinke mit dem Gustav eine Pulle Champus die hat er ja noch gut von Pfingsten. Schreib mir mal wie der Knabe aussieht, ob er auch anständig lebt und keinen Kohldampf geschoben hat um

dafür flüssige Nahrung zu sich zu nehmen.
Also alles Gute und viele Grüße an Dich, Gustav Günther u. die Oma
Heil Hitler!
Tony

Lieber Gustav! freut mich daß Du mal nach Hause gekommen bist und tut es mir leid nicht kommen zu können, aber dann nächstesmal wird es nachgeholt. Der Krieg ist aller wahrscheinlichkeit gemäß in längstens 6 Wochen in Frankreich zu Ende. Was sich an der Front hier im Westen z. Zt. tut weiß kein Mensch soeben werden wieder 8000 gefangene Franzosen verladen, sollen aus den Kämpfen um Saarbrücken sein, auffallend ist, daß fast keine Farbigen dabei sind. Ich rauche nur noch selbstgemachte Zigaretten, das andere Zeug schmeckt mir nicht mehr. Ab gestern haben wir hier auch nur noch Dünnbier habe die ganze Nacht gepinkelt, von heute ab habe ich wieder Vietz[?]. Wolltest mir doch noch mal ausführlich schreiben, tu dies mal bei Gelegenheit.
Also Gustav alles Gute
Vater.

Päckchen mit
¾ Pfd. Butter ist schon an Euch abgegangen (¼ ist für Gustav)
Was macht mein leichter grauer Anzug? Wann bekomme ich den? Kann in dem schweren Winterbiest nicht mehr rumlaufen.
Wegen dem Krankenschein habe ich noch nichts zurückbekommen.