Toni Roos an Sohn Gustav, 14. August 1940
Meine Adresse A. R. OBL. Trier in Trier zur Weiterleitung an Front-Ober-Bauleitung N.W.
Trier, d. 14.8.40.
Lieber Gustav! Von Dir bis heute noch keinen Brief erhalten mit Ausnahme von dem den Du an Mutter geschrieben hast. Ich ersehe aber daraus, daß es Dir dort ausserordentlich gut gefällt. Ich sitze nun hier seit dem 25.7. in St. Pol bei Dünkirchen und vertue meine Zeit damit aufzupassen das alles klappt. Den Knaben Heufs u. div. andere Jünglinge von Trier habe ich nach hier geholt, was natürlich großen Krach abgesetzt hat, da ich Trier die besten Kräfte weggenommen habe und z. Zt. ein großes Durcheinander dort herrscht. Hier habe ich die Arbeit eines Abteilungsleiters, was in Trier Herr Bracker war. Habe hier also keinem gegenüber Männchen zu machen, mein direkter Vorgesetzter ist Müller I bezw. der Oberbaurat in höchster Instanz, welcher direkt Dr. Todt untersteht. Todt ist fast dauernd hier, woraus Du ersehen kannst, daß sich hier etwas großes tut. Also Sitz der Verwaltung ist St. Pol ein Vorort von Dünkirchen, ich hänge sehr viel mit dem Wagen auf der Seestraße zwischen Ostende u. Boulogne s. mer, dies ist unser Bauabschnitt, also der Kanal. Nach Dienstschluss geht es in den Wagen und dann entweder nach den Seebäder La Panne in Belgien ein internationales Weltbad welches in vollem Betrieb ist und ganz heil aus dem Schlammassel hervorgegangen ist, oder nach Wimereux bei Boulogne, welches auch gut erhalten ist. Das Leben ist hier spottbillig ein Bier 5 Rpf. ein Benediktiner -,10 Zigaretten -02 ein Liter Bordeaux -50 u. s. w. Essen und wohnen nehmen wir in dem Gästehaus einer Großraffinerie vor, welches mit allem Comfort ausgestattet ist. Das einzige was von der ganzen Herrlichkeit stehen geblieben ist, ist das Gästehaus, welches abseits am Meer liegt u. das Hauptverwaltungsgebäude. Die Industrieanlage hat eine Ausdehnung von 1 klm im [...]. Hier standen mal u. a. 118 Oeltanks, welche von unseren Stukas restlos in die Luft befördert worden sind. Die Dinger hatten einen o/ von 20-40 m und eine Höhe bis zu 20-25 m. Es ist ein toller Anblick es sieht aus als ob mit einem Hammer in Konservenbüchsen gehauen worden sei. Hier in Dünkirchen u. Umgebung sind mittlere Bomben abgesetzt worden, aber die Wirkung war fürchterlich, Löcher von 6 m Tiefe und 12-15 m. Trichterrand, eine Fabrikhalle von 21 m Länge ist in die Luft gewirbelt und mit dem Dach nach unten gelandet 5 m hoch ragt das Eisengestänge schwerster Konstruktion zerbogen u. zerrissen nach oben. Eisengerippe von Güterwagen u. Lokomotiven sind meterweit durcheinander geworfen worden. Bei der Explosion der Oeltanks hat sich das Oel einen Abweg in die Schiffskanäle gesucht, welche kreuz u. quer durch Dünkirchen ziehen. Das auf dem Wasser schwimmende Oel geriet in Brand und äscherte rechts und links stehende Häuser ein. 3 Wochen hat es gebrannt. Alle Schleppkähne in den Kanälen und Schiffe im Hafen wurden ein Raub der Flammen, ca. 160 liegen verbrannt in Wassere und werden vom Arbeitsdienst abgewrackt. Die Beute an Lokomotiven auf dem hießigen Güterbahnhof beläuft sich auf 1200 Stück an Güterwaggons sind vollbeladen mit Munition u. Waren aller Art 11000 Stück erbeutet worden hierzu kommen noch ca. 4000, die von unseren Stukkas vernichtet worden sind. Die Zahl der hier erbeuteten Automobile wird auf ca. 700000 geschätzt. An vernichteten Autos liegen heute noch ca. 300000 auf Sammelplätzen und in den Straßengräben. Schlimm sieht es in Dünkirchen (Calais ist glimpflich abgekommen) aus ¾ der 100000 Ew. zählenden Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht nur Schutthaufen, wo aber auch keine Mauer mehr steht. Der Rest der Häuser hat keine Dächer mehr geschweige denn Fenster. Vor dem Hafen liegen die engl. Transporter u. Kriegsschiffe zerfetzt u. zerhauen und bei den Aufräumungsarbeiten in der Stadt findet man die in den
Kellern eingeschlossenen und elend umgekommenen Einwohner oft mit 20-30 und mehr, furchtbar sage ich Dir. Auch heute nach 2 Monaten werden noch dauernd Leichen angeschwemmt man schätzt die Zahl auf ca. 50-60000, denn 35000 hat man schon geborgen und die Transporter stecken auch voll aus einen kleinen 1500 to hat man 480 Mann geholt vorige Woche. Was die Bevölkerung hier anbelangt so kann ich Dir sagen, daß ich so flaksblonde Menschen in Deutschland selten gesehen habe bis nach Boulogne spricht alles ausser französisch auch flämisch, sodaß man sich gut verständigen kann. Das Land ist in Landwirtschaftlicher Hinsicht wie bei uns sehr guter Boden mit einer sehr guten Ernte. Man sieht nur weiße Pferde und schwarz-rotbraunes Milchvieh. Es erweckt den Anschein, als ob die ganze Strecke bis Boulogne deutsch bleiben würde, denn ich glaube kaum, daß wir die schönen Sachen für die Franzosen bauen. Wie das Volk aber auf Belgischer Seite fleißig u. beängstigend sauber ist, so ist die franz. Seite faul u. schwierig wie Mist. Wir sind mit dem Wagen über Sedan Cambrais Amas nach hier gekommen aber dort ist es noch schlimmer als hier, was Schmutz anbelangt. Man braucht sich aber auch nicht zu wundern, daß Frankreich den Krieg verloren hat, denn die Franzosen sind in allem 50 Jahre zurück egal auf welchem Gebiet. Eine Wohnkultur hat das Volk, fürchterlich sage ich dir, selbst in den besseren begütesten Bürgerhäuser nur Talmi u. Kitsch. Worin sie auf der Höhe sind ist Damenwäsche u. Gaderoben, die aber der Franzose nicht kaufen kann, da er kein Geld dafür verdient. Ich habe mich gut eingedeckt 2 Mäntel 3 Anzüge 5 Paar Schuhe 10 Hemde 12 Binden Bademantel Unterzeug, Schlafanzüge Strümpfe etc. Für Elisabeth habe ich Seide und Combinationen Strümpfe 3 Paar Schuhe Schlafanzüge u. Unterzeug aus reiner Seide gekauft nun seid ihr dran zum Teil habe ich schon so z. B. Zephir für Schlafanzüge Strümpfe u. Schuhe, das andere kommt noch. Habe gestern einen Brief von Elisabeth erhalten, worin sie mir mitteilt, daß sie die Seidenkombinationen erhalten hätte, sie seien sehr schön, und in gleichen Atem die typische Frage: „Du mußt doch furchtbar viel Geld verdienen, wieviel bekommst du nun eigentlich?“ Habe ihr darauf geschrieben, daß 400,- Rm an sie unterwegs seien, wird wohl zur Beruhigung beitragen. Hier witterte sie wieder groben Unfug, wahrscheinlich hatte sie angst, ich würde ihr den Einkauf an Gehalt abziehen. Wenn Du einen besonderen Wunsch hast so kann ich Dir bezl. Bekleidung helfen, dazu muß ich aber die Maße haben, wie Hüftweite Schulterbreite, Länge des Anzuges vom Kragen bis unten in Rücken, sowie Länge der Hosenbeine von der inneren Länge, also vom Hosenlatz bis unten und der äusseren Naht. Geld kann ich dir kaum schicken, da wir hier Besatzungsgeld haben, welches nur hier Gültigkeit hat, das Gehalt geht ab Trier an die Familien sodaß für uns nur Tagegelder bleiben, die natürlich sehr hoch sind. Habe Elisabeth geschrieben, sie solle so liebenswürdig sein und Dir für meine Rechnung 10,- Rm schicken sie bekäme sie von mir zurück. Hab zudem Günther die 10,- Rm gegeben, welche ich ihm am 24. Juli bei meiner Abreise gegeben habe mit der Anweisung sie Dir auszuhändigen? Der Knabe Günther hat zudem in Trier Dinger gedreht, als ich fort war hat er mit dem Knaben Heufs u. a. Züge durch Trier gemacht bei denen alles besoffen war sodaß obwohl man es auf Günther abgesehen hatte, zum Schluß Günther den Abtransport der Bierleichen übernommen hat. Am Tage meines Abschiedes von Trier hat er meinen Trierer Chef Herrn Lamour mit auf mein Hotelzimmer genommen und mit diesem u. zwei Jungfrauen vom Inselkaufhaus meinen Schrank 2 Flaschen Sekt entnommen u. verpinselt. In Wimereux hatte ich Gelegenheit ein Seegefecht zu beobachten wobei die 2 Torpedoboote versenkt wurden u. der Geleitzug versenkt wurde. Zudem beherrschen unsere Schiffe den Kanal, voll u. ganz, natürlich unter Beihilfe der Flieger. Am f[?]esten sind unsere Schnellboote welche fast unter der engl. Küste kreuzen mit 120 Leuten.
Der Brief geht mit einem Bekannten nach Trier ich muß schließen.
Mit vielen herzl. Grüßenauch an die beiden kleinen Mädel in Briesen und den Hofberger nebst Gattin
Heil Hitler! Vater