Toni Roos an Sohn Gustav, 28. Februar 1941

Audinghem, den 28. Febr. 41.

Lieber Gustav!

Seit undenklichen Zeiten habe ich von dir nichts mehr gehört. Hier ist es in letzter Zeit mal wieder sehr lebhaft geworden. Der Tommy hat am Dienstag mittag gegen 13 ½ Uhr einen Angriff mit 30 Bomber und 30 Jäger unternommen, der aber kläglich zusammengebrochen ist. Sechs Flugzeuge waren im Augenblick unten, bei welcher Gelegenheit Mölders seinen 60. Luftsieg errang. Über die Stadt sind sie überhaupt nicht gekommen. Gegen 21 Uhr bei Dunkelheit bekam der Tommy mal wieder seinen berühmten Mut und flog Boulogne an mit drei Flugzeugen in kollossaler Höhe. Es ist im dabei gelungen ein dutzend Bomben los zu werden, von welchen 4 mitten in die Stadt der Rest in die See landete. Ich habe mir die Einschläge angesehen es handelt sich dabei um 50 klo Bomben zwei Häuser in der Hauptgeschäftsstrasse glatt umgelegt und durchgeschlagen bis in den Keller. Unseren Schiffgen auf die es abgesehen war haben wie immer aber auch kein Haar gekrümmt bekommen und denk mal an unsere Flack hat auch einen herunter geholt. Beide Angriffe habe ich mir angesehen, hochinteressant besonders der Nachtangriff. Komme Ostern für eine Woche in Urlaub. Glaube nicht dass ich noch länger wie Mai hierbleiben werde. Gestern Abend war Gittiger bei mir zum Abendessen, wie er mir sagte geht es nach dem heissen Süden. Er selbst wird schon Ende März Anfang April im Vorkommando nach dort abhauen. Sonst geht es mir noch so ziemlich gut, wenn nur das Wetter mal beständig hier würde, dabei ziemlich rauh bei starkem Wind. Die zweite Typhus Impfung habe ich nun auch schon hinter mir, eine Brust wie eine Jungfrau, man konnte mich von der rechten Seite mit Fräulein anreden. Habe mal wieder feste Vorratswirtschaft getrieben und werde das Päckchen in den nächsten Tagen nach Brühl schicken, man weiss ja nicht, ob man noch mal in eine so gesegnete Gegend kommt, trotzdem es hier auch schon anfängt sehr knapp zu werden. Ostern werden wir wohl noch mal zusammenkommen können, hoffe jedoch dass die Reklamation von Gustav durchgeht, und er bald nach hier kommt. Was macht der Märtyrer von Brühl, was sagen die Himmelswanzen? Werden noch keine Märtyrerbilder verkauft? Wäre doch so ein Geschäft ganz abgesehen von der Reklame. Wie ich heute von einem Urlauber hörte muss der Tommy auch vor einigen Tagen einen ziemlich heftigen Angriff auf Köln versucht haben, die Stadt selbst soll wenigere dagegen die Vororte mehr abbekommen haben. Wo war das?

Deine drei Briefe heute am 3.3.41 erhalten, aber mit der Reklamation geht das nicht so schnell wie Du denkst, zudem ist das nur wo du einmal dabei bist doppelt schwer. Wärest du direkt von Hannover nach hier gekommen war es eine Spielerei. Aber warte mal ab. Hast du eigentlich das Päckchen von mir

mit Zigaretten schon erhalten? Der Brief ist der Durchschlag eines Briefes an Elisabeth. Ich schrieb ihr sie solle mir zu Kaufzwecken einen Scheck senden. Nun geht sie zu so einem Affen bei der Kasse und erzählt dem davon und dieser Idiot sagt ihr, da in Frankreich keine deutschen Banken seien, könnte ich mit dem Scheck nichts anfangen. Also schickte sie das Geld mit der Post. Es dauert 6 Wochen ehe ich die Penunsen bekomme und dabei monatlich Rm 50,- ausgezahlt. Ich war ja nun lange genug bei der Bank um zu wissen wie man einen Scheck versilbert. Vor allen Dingen ärgert mich mal wieder das gottverdammte Misstrauen mir gegenüber in jeder Weise. Immer vorher noch andere Aschlöcher fragen. Genau so wie sie auch deine Fahrkarte festhält habe ihr geschrieben sie solle dir dieselben sofort zustellen. Durch Blindgänger unserer lieben Flak haben wir vorige Woche 2 Tote und eine Anzahl Schwer- u. Leichtverletzte gehabt, und dabei wird immer behauptet die Flak träfe Nichts. Das Vorkommando von uns geht in den nächsten Tagen nach Bulgarien ab, wir werden so in 2 Monaten nachfolgend mit allem was drum und dran hängt auch die Fa. Eigen mit einem Teil der Belegschaft.

Bezügl. deiner Rekl. kann ich Dir erst morgen Mitteilung zukommen lassen, da Bearbeiter z. Zt. in St. Nagaires und morgen erst zurückkommt.

Also vorläufig alles Gute mit Gruß – Heil Hitler!
Vater.