Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 23. Juli 1941

23/7.41.

Liebes Lieschen. Nachdem ich nun bereits seit 5 Wochen nichts mehr, weder von dir, noch von Gustav gehört habe wüsste ich doch mal gerne woran dies liegt.

Als einziges Lebenszeichen erhielt ich am 19.7. ein Päckchen mit 2 Döschen Schuhkreme und ein Päckchen mit Fingerhut Nadeln und ein Püppchen blaues Stopfgarn, ohne Brief. Bei meinem Abzug von Zakopane übergab ich der Firma Baugesellschaft Eigen, Dortmund, mein Koffer mit Kleider Schuhen und überflüssiger Wäsche zur Weiterleitung an dich. Ich bitte um Empfangsanzeige, evtl. wenn die Sachen noch nicht angekommen sein sollten, schreibe mal an die Firma, Strasse ist nicht notwendig. Übergeben habe ich die Sachen dem Wagenmeister der Fa. Herrn Füller. Wie geht es eigentlich Euch? man hört hier soviel von Fliegerangriffen auf Köln Aachen etc. Schaffe alles von Wert besonders deine Fresskalien in den Keller, da die Sachen dort am sichersten sind. Lass Günther aber vorher die Kellerfenster schliessen und mit Strohsäcken abdichten das kein Staub hereinkommt und man nicht hineinschauen kann. Habt ihr noch Fresskalien genügend? Habt ihr den Schinkenteil durch die Fa Reinartz erhalten? Was tut sich sonst in Brühl? Hier geht es munter vor und zwar morgen wieder 120 km östlich auf die Krim zu. Die Russen sitzen hier mit ca. 38 Divisionen in der Falle teils in grösseren teils in kleineren Formationen. Ich denke dass der Krieg hier in 3 Wochen am Ende ist. Denn wie ich dir schon schrieb ist der Materialverlust des Gegners derart gross, dass Dünkirchen dagegen ein Kinderspiel war, man wundert sich überhaupt, dass je weiter wir vorrücken noch immer mehr Material an Geschützen Panzer etc. vorgefunden wird. Panzer Serienweise ohne jede Beschädigung oder mit unbedeutendem Motordefekt, wie Düsenverstopfung, die der Russe einfach stehenliess. Geschütze aller Kaliber, desgleichen MG. Unsere Autoparks setzen sich nunmehr zum grossen Teil aus Russenwagen zusammen so hat unsere Einheit fast 70 Stück. Pferde laufen hier in rauhen Mengen umher, sodass die Bauern keine mehr wollen und dabei kostet ein Gaul 20,-- Rm. Von der Beute ist mir für die zwei Knaben je eine Ballaleika zugefallen. Es gibt bald keine Deutschen hier ohne so ein Instrument, alle nagelneu aus Kollektivgeschäften. In Lubiczow wo wir bis gestern waren ist gestern nach 18 Jahren zum erstenmal wieder die Kirche der Öffentlichkeit übergeben worden, da hättest du etwas erleben können. Nachdem wir bei dem Jüddischen Apotheker ausgezogen waren, haben wir die ehemalige Wohnung des Popen bei unserem Einzug kommunistische Frauenberatungsstelle von Juden säubern lassen und bezogen. Hier wurde an Hand von Bilder und Abgabe div. Artikel, angefangen vom Präsevativ Präsar, Pariser Schwämmchen bis zur Gebährmutterspritze alles an die Bevölkerung verteilt war zur Geburtenverhinderung notwendig ist. Unsere Ärzte haben den ganzen Zunder verbrennen lassen. Wir haben dies gemacht, da sonst die Ukrainer die ganze Bude angesteckt hätten. Wenn die Bevölkerung den Vorgarten der Kirche betritt schlägt sie das erste Kreuz und das geht denn an einem Stück so fort, bis sie zu der Treppe (4 Stufen) vor der Kirche ankommen, dann fallen sie in die Knie und rutschen bis zur Kirchentür, von wo es mir Rumpf vorwärt beugt bis zum Platz geht. Drei Tage ist aus der Kirche Schutt abgefahren worden. Die Griechische u. kath. Kirche hier steht nur aus dem Grunde noch, weil die erstere als Pferdestall die andere als Militärdepot der Garnison gedient haben. Die Synagoge war immer in Betrieb und durch einen kleinen Nebeneingang benutzbar, sonderbar wie? Heute ist sie nun nicht mehr benutzbar,

da sie von den Ukrainer eingeheizt worden ist.

Sonst gibt es hier nichts von Beteutung. Essen ausgezeichnet, da wir einen Koch von Dreesen Godesberg haben, da könnte Günther einhauen. Leider kann ich aber von hier bei der Hitze nichts schicken, da es doch nur verdorben ankäme. Als grösste Neuigkeit kann ich dir nur sagen, dass ich mir einen Schnurbart a la Monjou stehen gelassen habe, zum ersten mal in meinem Leben bin ich hier auch trotz der hellen Haut braun geworden.

Also alles Gute und baldige Antwort erwartend verbleibe ich mit Gruss auch an Günther und Oma
Tony.

Heute 2 Briefe vom 26/6 u. 3/7 erhalten