Toni Roos an Sohn Gustav, 6. September 1941

Pawlysch, den 6. September 41.

Mein lieber Gustav! Ich erlaube mir die höfl. Anfrage, ob du noch unter den Lebenden bist, da ich nun schon über 6 Wochen von dir nichts mehr gehört habe. So wie ich von dir nichts höre, habe ich auch von Mutter seit dem 15. Aug. keine Mitteilungen mehr erhalten. Ich finde die Sache geht allmählich etwas zu weit. Da ich von dir nichts höre, habe ich 5 Tafeln Schokolade und 25 Zigarren nach Brühl geschickt und Elisabeth gebeten sie dir von dort aus zu senden.

Zigaretten sind nun hier auch sehr knapp geworden, sodass ich schon meine eigene Fabrik aufgemacht habe und selber drehe. Am dienstag rücken wir von hier ab nach Krementschug am Dnjeper, Landluft habe ich nun hier mal wieder genügend gehabt. Eine Balalaika habe ich nun auch mit Kurier nach Brühl unterwegs, sowie ein grosses Fresspaket, damit mir die Mischpoche nicht verhungert. Gehe nun dazu über auch Hülsenfrüchte in rauen Mengen nach Brühl zu senden und Mehl. Unsere Schnappsvorräte sind nun auch alle und wir sind nun dazu übergegangen selber Schnapps zu machen, unter 60 % fangen wir garnicht an. Gesundheitlich habe ich alle Kinderkrankheiten wie Verstopfung, Dünnpfiff etc. überstanden. Mit Ausnahme von Läusen habe ich auch schon alle Insektenarten hinter mir, z. Zt. bin ich ohne „Heeresgefolge“. Hier, hinter Krementschug geht es noch heiss her, der Russe pfeffert noch feste und die russische Luftwaffe ist, wenn auch in kleiner Zahl sehr emsig. Obwohl fast jeder zweite heruntergeholt wird kommen die Kerle immer wieder. Dem Anscheine nach, bist du bei Gomel dabei gewesen, muss eine harte Nuss gewesen sein, wie man so zwischen den Zeilen gelesen hat. Hier ist es auch nicht so ohne, und seit Herbert hinterrücks erschossen worden ist, gehen wir hier bei Dunkelheit nicht mehr ohne Knarre aus. Hasst du auch die Päckchen und die Penunsen von mir erhalten, geschrieben hast du mir bis heute noch nicht darüber, kannst also ermessen wie lange es her ist dass ich von dir nichts mehr gehört habe. Günter schreibt ja nun grundsätzlich nicht, er hatte ja immer Angst vor Tinte und Papier. Alsdann möchte ich dir noch mitteilen, dass ich in Kirowograd den ersten Brühler an der Ostfront in Gestalt von Erich Zimmer getroffen habe. Hat sich gefreut wie ein Schneekönig und haben die Angelegenheit auch ordentlich begossen. Hoffentlich treffe ich dich auch mal hier in der Gegend, musst immer auf die Schilder O.T. Einh. 59. da hängen wir. Krementschug wird für uns wohl ein Aufenthalt von 4-6 Wochen sein, da wir dort die grossen Dnjeperbrücke bauen mit dem Bauregiment 107 zusammen.

Also Gustav schreibe mal bald, mit vielen Grüssen und alles Gute
Vater

Zum Geburtstage noch nachträglich meinen Glückwunsch.