Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 13. September 1941
13/9.41.
Liebes Lieschen! deinen Brief vom 23. August heute am 12. Sept. erhalten. Es freut mich, dass der Käse, und das Leder gut angekommen sind, hoffentlich kommt meine Kiste mit überflüssiger Wäsche mit Fresskalieneinlage und die Balalaika auch gut an. Ein neues grösseres Fresspaket ist in Vorbereitung und geht mit nächstem Kurier nach dort ab. Das das Geld angekommen ist in dieser Höhe habe ich erwartet und bitte ich mir die Abrechnung bei Erhalt zuzustellen. Von Gustav habe ich auch einen Brief gestern erhalten abgeschickt am 5. August, er schreibt dass sie mit ihrer Einheit zurückverlegt worden seien, sonst hat er guten Mut und sieht der Sache ruhig entgegen. Was ihm Kummer macht ist dass er keine Zigaretten hat, kann ihm aber von hier auch keine senden, da ich selber keine habe und auch kein Zigarettenpapier. Schick ihm von den 5 Tafeln Schokolade etwas ich habe noch welche, die ich später senden werde.
Was die allgemeine Ernährungslage anbelangt, so ist es an der Zeit mal die Bauern mit Eisenhandschuhen anzufassen, Kameraden von mir aus Grossstädten bekommen von ihren Frauen genau dasselbe geschrieben was du mir über die Mistviehscher schreibst. Hier sollen die in der Heimat gebliebenen Herrn Parteigenossen mal höheren Orts vorstellig werden und veranlassen, dass bei Nichtablieferung der Landprodukte ein Dutzend Bauern an die Wand gestellt und erschossen werden. Öffentliche Prügelstrafe wäre auch empfehlenswert. Durch das Gesindel haben wir den Weltkrieg zum grossen Teil verloren, aber man scheint das schon vergessen zu haben. Mache den Julius mal darauf aufmerksam, dass dieserhalb in der Front grosse Erbitterung herrscht, und dass man sich hier wundert dass den Frauen zu Hause diesbezüglich nicht geholfen wird. Es ist für die Front ein erhabenes Gefühl zu wissen, dass die Frauen wieder Hamsterfahrten machen müssen um von den von der Partei verhätschelten Saubauern ein paar Pfd. Gemüse oder Kartoffel zu erhalten wenn möglich für Wucherpreis. Dann noch eine andere Sache. Ich habe in letzter Zeit allgemein aber auch bei dir festgestellt, dass in jedem Briefe das Gequatsche steht: „Wäre der Krieg doch vorbei“. Da bin ich ganz deiner Meinung, aber er ist nun einmal notwendig geworden und muss vorerst mal gewonnen werden, denn wehe Europa wenn das Plutokraten- u. Bolschewistenpak obsiegen würde. Dieses ewige Gewimmer macht den Leuten an der Front das Leben bestimmt nicht leichter und möchte ich den Quatsch von dir nicht mehr hören.
Wenn daheim sogenannte Himmelswanzen anders denken, so wünsche ich nur, dass die sich den Betrieb hier mal ansehen würden, dann
würden sie in die Kirche laufen und Gott danken, dass der Führer zeitig losgeschlagen hat und uns das Schicksal der russischen Bevölkerung erspart hat. Diese Miesmacherei kommt mal wieder von einer bestimmten Stelle und wird im Allgemeinen Flüsterpropaganda genannt, ein altes jesuitisches Mittel, was natürlich dann von der blöden Masse weiter getragen wird. Also Schluss mit dem Quatschen.
Wie geht es denn sonst noch? Wie steht es mit meinem Zigarettenpapier? Mit Waschlappen? Mit Zahnbürste etc. nicht lange überlegen oder warten bis man mal in nächster Zeit nach Köln fährt, ich habe das Zeug dringend notwendig.
Was macht Günter? was die Oma?
Mir geht es gesundheitlich ausgezeichnet.
Heute haben wir bei Krementschug den Dnjepper überschritten und z. Zt. entwickelt sich hier im Abschnitt wohl die grösste Schlacht der Weltgeschichte, welche die Entscheidung für Europa auf 1000 Jahre bringen wird. Was hier los ist kann ich nicht beschreiben Material noch und noch, man fragt sich nur immer wo es her kommt und ob diese Massen nicht mal abbrechen. Seit 3 Tagen rollen Tag und Nacht Panzer hinter Panzer hier durch. Dinger von deren Existens man überhaupt keine Ahnung hat. Auf einer anderen Strasse nur Geschütze und Pak aller Kalieber usw. Alle völker Europas sind hier vertreten und alles geht mit einem Elan nach vorne dass es mir die Gewissheit gegeben hat Europa ist erwacht, - und handelt.
Also Schluss, mit Gruss und Kuss
Tony.