Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 29. September 1941
29.9.41
Deinen Brief vom 12. September und heute auch Päckchen No. 2 enthaltend Schnürriemen, Kämmchen, einen Waschlappen und 2 päckchen Zigarettenpapier dankend erhalten. Schicke bitte laufend Zigarettenpapier, kannst du den Briefen beilegen oder nur in ein Kouvert stecken mit je 2 und 2 Stück. Hier herrscht z.Zt. eine Saukälte und habe ich furchtbaren Dusel gehabt, eine neue wattierte Mongolenweste (ohne Läuse) gefunden zu haben, die mir nunmehr gute Dienste leistet. Wollte das Ding schon mal wegschmeissen, was ich aber dank dessen, dass ich dies vergessen habe nicht ausgeführt habe. Will mal sehen, ob ich für die Knaben auch noch soetwas finde. In deinem Briefe schreibst du mir nicht, ob du schon die Balalaika und das Paket mit überflüssiger Wäsche, Fresskalien, Schokolade und der Polnischen Sprachlehre enthaltend erhalten hast. Wäre zum Kotzen wenn das Paket (eine Kiste) nicht ankommen würde. Ist auch möglich, dass es mit der Bahn geschickt worden ist. Die grosse Dnjeperbrücke ist heute fertiggestellt worden und bereits in Befahr. Werden in den nächsten Tagen von hier abrücken, entweder nach Poltawa oder aber weiter vor, in das Don-Industriegebiet. Entsprechend dem was hier seit dem 8. September den Dnjeper überschreitet, geht auf keine Kuhhaut. Man sollte annehmen dass es in den nächsten Tagen einen grossen Knall gibt, denn hier gehen alle Völker Europas nach Russland hinein Tag und Nacht Kolonne hinter Kolonne auf zwei Brücken und ein anderer Einsatz ist im Begriff eine 3. Brücke zu bauen. Die Eisenbahnbrücke ist auch in der nächsten Woche voraussichtlich wieder befahrbar und dann geht es mit Volldampf. Von dem „Sowjetparadies haben wir nun alle die Nase reichlich voll und werde ich mich bemühen Anfang November oder Mitte diese ungastliche Gefilde zu verlassen, um sie nie wiederzusehen. Zur Zeit kommen auch am laufenden Band Bauernführer hier an, welche wahrscheinlich hier in die Kolschossbetriebe als Leiter eingesetzt werden um die neue Ernte sicherzustellen und die Wintersaat zu bestellen. Die Bauern hat man in Sonderführeruniformen gesteckt, aber von einem Offizier haben sie nur die Uniform, sonst steif wie ein Brett.
Zur Zt. frisst hier jeder Melonen und Sonnenblumenkerne, es ist dies eine Angewohnheit der Russen jung oder Alt alles kaut und spuckt ununterbrochen. Die Melonen mit Rum oder Cognac mit Zucker angesetzt ist eine herrliche Angelegenheit, wohingegen ich mir aus Sonnenblumenkernen nichts machen kann. Zigaretten und Zigarettentabak ist hier sehr knapp. Sieh dich bitte laufend in Brühl danach um und sorge wenn Gustav und ich in Urlaub komme dass du einen gewissen Vorrat hast, desgleichen auch an Zigarettenpapier. Mir brauchst du z. Zt. ausser Papier nichts zu schicken. Was du mir von dem Wkk in Köln schreibst wundert mich absolut nicht, wo dort soviele nette Mensche z. B. auch ein Herr Pfingstmann sitzt, Leute die im allgemeinen als unzuverlässig bezeichnete werden setzt man dann an solche Posten. Habe gestern den zweiten Brühler nämlich den ältesten Sohn vom Zimmermeister Koch getroffen, welcher bei einer Militärformation hier liegt. Wie er so nebenbei sagte hätte Herr Pfingstmann ihm dieses Pöstchen besorgt, es hätte aber auch Mühe gekostet. Er ist bei dem Militärsicherungsdienst. Wie ich im November meinen Kram hier wegbekomme ist mir noch schleierhaft, da wir nur mit der Bahn fahren können, dass wird mal eine Himmelfahrt geben. Im allgemeinen braucht man von hier 6 Tage bis Breslau und dort nochmal fast einen Tag. Schicke ab heute mal vorsichtshalber wöchentlich ein 1 Kilopäckchen, denn das sind schon mal bis Mitte November ca 20 Pfd die ich weniger zu schleppen brauch. Der Kontrolle wegen nummeriere ich die Dinger von 1 bis 10. gib also Acht und schreibe mir wenn eines ausbleibt.
Sonst hier nichts von Bedeutung.
Alles Gute mit Grüssen an Günter und die Oma
Tony
Von Gustav habe ich einen Brief von Ende August erhalten, worin er mir schrieb, dass sie nun die Schlacht bei Gomel beendet hätten und in Ruhe lägen. sodann hat er meine Päckchen zum Teil erhalten.