Toni Roos an seine Frau Elisabeth, 6. Oktober 1941
6/10.41
Liebes Lieschen
Nach einer 5 stündigen Autofahrt über den tollsten Weg den ich in meinem Leben je gefahren bin, kam ich Samstag den 4. Oktober in Poltawa an. Weg kann man diese Strasse eigentlich nicht nennen, denn es war noch schlimmer, als wenn man mit einem Wagen quer durch das Feld fährt. Die Knochen tun mir heute noch weh und dabei war sowohl der Lastwagen mit meinem Gepäck (und Vorräten) als auch die Küchenwagen sowohl der Einheit als auch der NSKK Staffel durch Bolzen- und Federbruch auf der Strecke liegengeblieben, sodass wir nichts zu essen hatten ausser Eier und tee den ich mit hatte. Unser Empfang in Poltawa war gerade kein feiner, denn wir wurden kurz vor der Stadt, die Strecke war vollgepfropft mit Last- und Personenwagen von 10 russischen Fliegern mit Bordgeschützen befunkt, also raus aus dem Wagen, rein in den Graben. Aber die Kerle schossen hundsmiserabel und weil sie so saumässig schossen, hohlte die Flak, man höre und staune 4 Stück herunter, das heisst die waren auch höchstens 100 m hoch. Aber eines muss ich dir sagen, es war dies das interessanteste Schauspiel was ich je gesehen habe, Stichflamme Rubedidupp nach unten, Expolusion, aus. Der Rest war nicht mehr zu gebrauchen. Die Hauptverwaltung hat zudem hier in Poltawa mächtigen Dusel gehabt. Man hatte sich einen ehemaligen roten Bonzenpalast ausgesucht und sich bereits protzig dicke gemacht, als auf Befehl des AOK das Haus für einen Stab geräumt werden musste. Unsere Verwaltung zog ins Hinterhaus als sie eine Stunde weg waren ging die Bude in die Luft, denn die Russen hatten in liebenswürdiger Weise Mienen in die Öfen gestekt, die beim Anzünden mit Karracho in die Luft gingen und etwas von dem Hause mitnahmen. 6 Juden die mit Reinemachen beschäftigt waren gingen in liebenswürdigster Weise mit hoch, ein Soldat und zwei Arbeitsdienstmänner wurden weil sie gerade an der Türe fleissig redeten leicht verletzt. Poltawa ist die erste russische Stadt, die man einigermassen in ihrem Zentrum als Stadt ansprechen kann. Was natürlich hier steht ist aus Zaristischer Zeit leider aber sehr verkommen, da seit 20 Jahren nichts mehr an den Häusern gemacht worden ist. Die Häuser waren wie Alles hier Staatseigentum und das ganze Geld welches einging wurde nur für Rüstungszwecke verwandt. Ich habe Privatquartier bei einem Ukrainer, sehr sauber. Die Einheit liegt in dem Theaterneubau, bezw. im Kommunistischen Casinogebäude. Die roten Bonzen haben nicht schlecht gehausst. Das Theater ist vor 7 Jahren gebaut, aber derart schlecht gebaut, dass es heute schon im Verfall ist. In den nächsten Tagen werden wir ca. 200 km weiter nach Osten vorrücken und zwar in das Donezbecken. der Don ist glaube ich für dieses Jahr die Grenze und werden wir uns in einem dieser Städte für den Winter einrichten. Unsere Einheit soll aber wie ich hörte nach Frankreich zurück. Sonst geht es mir noch recht wohl, neues ist von hier sonst nicht viel zu berichten. Gustav habe ich heute ein Päckchen gesandt und auch auf seinen Vorwurf ich schriebe ihm kaum einen Brief geschickt. Allmählich wird es hier empfindlich kalt und man merkt doch so gegen Abend wo man nun steckt. Dann habe ich noch eine Bitte Sammle fleissig für die Zeit dass ich in Urlaub komme Zigaretten und Zigarettentabak nebst Papier, denn hier ist es in der Beziehung sehr bescheiden und Vorrat kann ich hier nicht sammeln. Sag auch der Oma Bescheid, daß sie sammelt. Paket Nr. 2 ist an dich ab, es enthält 1 Büchse Tunfisch 4 Ölsardinen, 1 kg. Schweinefleisch 2 Fisch in Tomaten 1 Blutwurst. Die nächsten Pakete sind alle Kilopäckchen mit div. Sachen. Frage – Hast du das Paket mit der Sommerwäsche incl Fresskalien und der polnischen Sprachlehre 1000 Worte Polnisch erhalten, bis heute keine