Eltern Roos an Sohn Günther, 9. Mai 1943
Brühl den 9.5.43
Mein lieber Günther!
Anbei das gewünschte Paket, sowie für alle Fälle „Kleine Sprachlehre“ in Russisch, Polnisch u. Französisch, man weiß nie, wo man mal hinfliegt und wer hat – hat.
Russische kleine Gramatik habe ich Dir in Köln bestellt und geht Dir von dort aus zu. Heute feiern wir 23-jähriges Ehejubiläum, einen Kuchen haben wir verdrückt den anderen hat die Olle Dir ins Paket gesteckt, damit Du auch etwas davon hast. Deinen Brief haben wir heute erhalten und von Deiner Stimmung, nachdem Urlaub „Scheiße“ ist Kenntnis genommen. Zigaretten gibt es keine hier seit 14 Tagen, also auch Scheiße. Meine Stimmung kannst Du Dir denken.
Dann habe ich Dir noch etliche gute Ratschläge zu erteilen, bezüglich Höflichkeit und gutem Benimm. Achte bitte darauf, daß Du ad 1 das gehirnfüllende Rotzziehen Dir abgewöhnst. Es ist zwar knabenhaft u. füllt den Magen, aber soweit ist unsere Ernährung (trotz Abzug von 100 gr. Fleisch wöchentlich) sichergestellt, daß wir dies noch nicht unbedingt nötig haben. Dann habe ich in Celle festgestellt, daß Du wenn Du Dich von dem Tisch erhebst nicht den Nebenmann bittest Dich durchzulassen. Du stehst einfach auf – und macht der Betreffende Platz, so vergisst Du stets Dich hierfür zu bedanken. Freundlichkeit kann nicht schaden und zudem gehört es sich auch für jedes Entgegenkommen „Danke sehr“ zu sagen. Nimm mir diese Ermahnung nicht für übel, aber Du kommst so bestimmt weiter und es kostet nichts.
Dann sieh mal zu, ob Du Dich nicht auf Vermessung spezialisieren kannst, es kann
Dir erstens in Deinem zukünftigen Beruf nichts schaden und sodann ist es auch meiner Ansicht gemäß bei den Kriegspielen das kleinere Übel und nicht mit so großen Gefahren verbunden, wie die Böllerei mit den Kanönchen. Mir geht es soweit ganz gut und warte ich auf neuen Einsatz, wenn Du Pfingsten kommst, hoffe ich wieder im Reich zu sein.
Also lieber Günther laß es Dir gut gehen und verbleibe ich mit allem Guten u.
Gruß
Heil Hitler!
Vater.
1 Uhr, Wäsche, Apfelsinen Bonbon u. 1 Kuchen folgen im heute abgesandten Paket.
Mein lieber Günther!
Mit gleicher Post geht auch ein Paket an dich ab, sei bitte vorsichtig beim auspacken, deine Uhr liegt bei. Es ist zwar nicht deine alte Uhr, die war nicht mehr zu reparieren. Onkel Jakob und Kätti haben dir eine andere gegeben, die hätte noch ein gutes Werk, du sollst nur vorsichtig damit umgehen, denn es geben jetzt nur noch Uhren auf Bezugschein. Kätti hatte noch 5 Uhren hereinbekommen ohne Bezugschein, sie sagte mir, du kannst davon noch eine haben wenn du willst, und so habe ich denn sofort noch eine gekauft.
Es ist noch eine gute und auch teure Uhr, wenn du in Urlaub kommst darfst du sie mal tragen, aber du kannst sie nicht mitnehmen, dafür ist sie zu schade, ich verwahre sie euch für später. Für die Uhr die beiliegt kannst du dich bei Kätti oder Onkel Jakob bedanken. Heute war Frau Reifferscheid bei mir, sie war Ostern auch in Berlin bei Hellmuth, vorige Woche Mittwoch sind sie schon ausgerückt nach Russland (Chaikow.) du siehst also die können es bei Luftnachrichten schneller als du, Hellmuth ist Panzerschütze bei der SS. Kurth Klug ist auch schon ausgerückt, sie haben für Tage Verpflegung mitbekommen, Tante Maria wusste nun noch nicht wohin. Sonst habe ich noch niemand gesprochen. Wenn ich mehr weiß schreibe ich dir. Deinen Brief vom Sonntag haben wir heute erhalten, hoffentlich klappt es zu Pfingsten und deinem Urlaub. Also, schreibe mir wenn du das Paket erhalten hast, Cigaretten konnte ich keine beilegen, denn in ganz Brühl ist nichts zu haben, selbst Oma hatte keine.
Alles Gute, und herzliche Grüße und Küsse
deine Mutter.