Toni Roos an Sohn Günther, 12. Januar 1945

Denkingen den 12.1.45.

Mein lieber Günther!

Deine Briefe vom 17/12 u. 29/12 heute auch erhalten und ersehe daraus, daß Du die Weihnachten einigermaßen gut verlebt hast. Die Päckchen von Helene hast Du dem Anscheine nach also nicht erhalten, da wie Du ja auch weißt die ganze deutsche Post z. Zt. große Scheiße ist. Obwohl ich Dir und Mutter fast jede Woche 2 bis 3 Briefe geschrieben habe, erhielt ich von Mutter bisher einen Brief vom 27.11. und von Dir bisher ganze fünf Briefe und zwar 2 aus Xanten und 3 aus Ulmen bezw. dem Einsatz, worin Du mir unter anderem mitteiltest, daß Du im Rücken durch Streifschuß verwundet worden seiest als Du als Beobachter in vorderster Stellung lagest. Ich habe ja nun Verständnis dafür, daß jeder seine Pflicht bis zum Äussersten tun muß, aber ich möchte dich doch bitten die Sache nicht zu übertreiben, denn ich habe die Sache mit Gustav noch immer in den Knochen und denke auch einmal an deine Mutter bei solchen Gelegenheiten, denn den Treffer im Rücken konntest Du genau so gut auch vor deinen Dassel

bekommen und dann wäre der Krieg ohne Dich weitergegangen. Also richte Dich entsprechend ein. In Köln müßen tolle Zustände herrschen. Alles lebt in Gemeinschaftsverpflegung. Stell Dir diese Herrlichkeiten vor und dabei liegt Köln sozusagen unter Dauerbombardement. Gestern sagte mir ein Herr der aus der linken Rheinseite kam es würden nur Briefe befördert die durch Kurier bis Köln gebracht würden bezw. umgekehrt nur solche die auf der rechte Rheinseite aufgegeben würden. Schöne Zustände, wobei man sich die Finger lahm schreibt ohne Post zu erhalten. Hier in dem Ländchen hat der böse Feind es zur Hauptsache auf Bahnhöfe und Lokomotiven abgesehn, womit er ganz nette Erfolge hier erzielt, denn die Bahnhöfe sind die reinsten Lokomotivfriedhöfe. Vorige Woche hatte ich ein interessantes Erlebnis in Spaichingen beim Friseur. Wie heute allgemein, war es ein alter Knabe der mir meine Locken zurechtstutzte und vorwitzig war er wie alle seiner Zunft. So fragte er mich wo ich her sei und wo ich wohnte. Ich sagte ihm ich käme von Köln und stammte aus Denkingen väterlicherseits. Daraufhin

sah der Knabe mich mal eingehend an und sagte mir, dann könnte ich nur ein Schnee oder ein Roos sein. Auf meine Frage warum ich nur einer von beiden sein könnte sagte er mir daß es in Denkingen nur zwei Familien mit Langschädel gebe und dementsprechend müßte es stimmen. Ich habe mich daraufhin hier einmal umgesehen und es stimmt tatsächlich die anderen Familien hier haben alle Rundschädel.

Wie gesagt morgen geht es nach Stuttgart für Fa. Heilmann u. Littmann Filiale Stuttgart, Kanonenweg 128 (Anschrift notieren) und dann in den Einsatz von dort aus. Wohin werde ich in Stuttgart erfahren und gebe dann Anschrift durch.

Zirkelkasten, Rechenschieber und Schrift[?] mit Regiment[=?] von Gustav habe ich hier zurückgelassen. Desgleichen 2 blaue Anzüge, ein grauer Anzug, eine graue Hose Hut, Schal und ein Karton mit diversen Kleinigkeiten wie Sockenhalter, Hosenträger Farbstifte u. Andenken von Gustav 2 Bilder Kupferstiche etc. Ich teile dir dies mit, damit Du es weißt. Sodann, da Du mir nicht den Empfang bestätigt hast gebe ich Dir nochmals die Nummern der Sparkassenbücher an, die Elisabeth in Brühl


  1. 1. Gustav Roos. Spark. Brühl Nr. 68949
    2. Frau Toni R. Spark. Brühl Nr. 055972
    3. Gustav R. Städt. Spark. Köln Nr. 641869
    4. Günther R. Kreis Spark. Köln Nr. 34403
    5. Günther R. Spark. Brühl Nr. 57596
    6. Gustav R. Spark. Brühl Nr. 57595
    7. Josephine Klug Kreisspark. Köln Nr. 640121
    8. Katharina Klug Sparkasse Brühl Nr. 8630

Obwohl ja meiner Ansicht gemäß unsere Währung im Arsch ist, mach Dir vorsichtshalber doch Notiz von der Nummer der Sparbücher. Soviel ich weiß ist es zwischen 15000 u. 20000,- Rm was auf den Büchern steht, soviel ich von Elisabeth weiß.

Sonst geht es mir hier noch gut. Sende mir mal ein Photo von Dir und wenn Du einmal Überfluss hast Tabak, denn der ist hier mehr als knapp.

Also halte Dich wohl und alles Gute und Gruß Vater.

 

Bin gerade dabei Deinem Vater die Strümpfe zu stopfen u. habe leider nicht viel Zeit mehr zuschreiben!
Gruß Helene.

Denk daran, daß wo Du bist, wie im Kino die besten Plätze immer hinten sind!!!

Erhielt heute einen Brief von Elisabeth vom 13.12.44, welcher zwar 8 Seiten Inhalt hatte, aber sehr unfreundlich gehalten war. Sie macht mir zum Vorwurf, daß ich noch nicht arbeitete. Du lieber Himmel das ist doch nicht meine Schuld. Ich bin von der OT an die Firma H u. L in Stuttgart überwiesen und warte befehlsgemäß auf meinen Einsatz, der nun Gott sei Dank erfolgt. Daß Du zu Hause gut gelebt hast freut mich, aber daß Du mit Deinem Oberleutnant nur eine Flasche getrunken hast verstehe ich nicht, denn es ist immerhin besser das Zeug wird gesoffen als daß es zum Teufel geht.

Also macht mir Elisabeth noch Vorwürfe daß ich mich hier aufhalte. Ich habe ihr zigmal geschrieben sie solle nach hier kommen. Wenn es ihr nun in Köln besser gefällt, so liegt dies an ihr und nicht an mir. Ich schreibe ihr noch heute. Sonst noch alles beim Alten.

Nochmals viele Grüße und
alles Gute
Vater